Herrsching im Praxistest
Steile Treppen, hohe Bordsteine und verstellte Gehsteige
Hohe Bordsteine, Treppen zu Geschäften und keine behindertengerechte öffentliche Toilette am Bahnhof – eine ganze Liste an Schwachstellen hatten die Teilnehmer der Ortsbegehung in Herrsching zusammen getragen. Aufgelistet waren Hindernisse und Beschwernisse, mit denen ältere und behinderte Bürger in der Gemeinde zu kämpfen haben. Aber auch positive Beispiele wie ein Aufzug in einem Bankunternehmen und die behindertengerechte WC-Anlage sowie die Behindertenparkplätze am Badeplatz Seewinkel wurden aufgelistet.
Zu dem Rundgang hatten Maximilian Mayer, Behindertenbeauftragter des Landkreises Stanberg, Petra Fontana von der Fachstelle für Senioren und Julia Schmidbauer, Sozialbeauftragte der Gemeinde Herrsching eingeladen. „Ein barrierefreies Wohnumfeld und eine gute Infrastruktur mit Geschäften für den täglichen Bedarf stellen wichtige Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Wohnen auch mit Einschränkungen dar“, betonte Fontana. Wie es mit diesen Forderungen in der Ammerseegemeinde bestellt ist, wollten Betroffene, Vertreter des Senioren- und des Behindertenbeirats und interessierte Bürger herausfinden. Zuvor hatten sie sich im Rathaus getroffen, wo ihnen Fontana und Mayer die Kriterien anhand derer sie ihre Gemeinde unter die Lupe nehmen sollten, erläuterten. Das reichte von barrierefreien und nicht zugeparkten Gehwegen, über Ruhebänke mit Lehnen in regelmäßigen Abständen bis zu öffentlichen Toiletten, einer guten Beschilderung und barrierefreien öffentlichen Gebäuden, Geschäften und dem Bahnhof. Ein besonderes Augenmerk wurde auf den Straßenverkehr gelegt. Hier wurden Kriterien wie Ampeln, die auch für Blinde und Schwerhörige geeignet sind abgefragt, aber auch die Länge der Ampelphasen überprüft.
Beim Rundgang wurde dann ausgiebig gemessen und ausprobiert. Gerade einmal drei Viertel der Straße schaffte die Gruppe zu überqueren, bevor es wieder „rot“ wurde. „Die Ampelphase ist viel zu kurz“ lautete das Résumee. Beim Kurparkschlösschen stand die Gruppe vor einer für Rollstuhfahrer unüberwindlichen Treppe. Es gebe „keine Chance“ das denkmalgeschützte Gebäude barrierefrei zu bekommen. Vor allem der Brandschutz sei das Problem, bedauerte Schiller.
Am Haupteingang der Bücherei zückte Mayer seinen Zollstock. Zwischen vier bis sieben Zentimeter müssen überwunden werden, um über die Schwelle zu kommen. Das sei zu hoch. „Bis maximal zwei Zentimeter gilt als barrierefrei“, erklärte Mayer.
Checkliste für andere Gemeinden
Am Schluss wurden die positiven und negativen Beispiele analysiert und Verbesserungsmöglichkeiten in Form einer Checkliste für die anderen Gemeinden im Landkreis erarbeitet. Damit können sie ihre Orte selbst untersuchen. Endziel ist, dass die Hindernisse abgeschafft werden. „In Herrsching werden dafür 30.000 Euro im Jahr in den Haushalt eingestellt“, erklärte Schiller. Für größere Maßnahmen zum Beispiel im Straßenbau reicht diese Summe natürlich nicht, oft kann aber bereits mit geringen Mitteln viel erreicht werden. Zum Beispiel bräuchten Baugerüste nicht die Gehsteige versperren, Schilder könnten deutlich lesbar sein und Hintergrundgeräusche vermieden werden, um Schwerhörigen das Zuhören zu erleichtern.
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