Wildwuchs oder Kontrolle
Wie bringt man Ordnung in die Stadtarchitektur?
„Starnberg. Gesichtsloses Städtchen, Wahnsinnssee.“ So stänkerte der Bayerische Rundfunk im Heimatkrimi “Die reichen Leichen“. Es gibt viele, die über die schmucklose Erscheinung der Kreisstadt schimpfen. Auch in Zukunft wird Starnberg wohl keinen Blumentopf beim Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ gewinnen. Jüngst scheiterte die Idee eines Gestaltungsbeirats, der kommende Bausünden verhindern soll. Zu teuer, zu langwierig, zu wenig schlagkräftig, so lautete der Gegenwind im Stadtrat.
Aus für Gestaltungsbeirat
Seit Jahren wird immer wieder mal über einen mit unabhängigen Stadtplanern besetzten Rat für eine attraktivere Architektur diskutiert, wie ihn sich andere Städte bereits leisten. Jetzt war der Vorschlag seitens der Grünen erneut auf dem Tisch – und schnell wieder in der Versenkung verschwunden. Stadtbaumeister Stephan Weinl machte sich umsonst für die professionelle Hilfe stark, die die junge Stadt mit ihrem uneinheitlichen Baustil gut brauchen könnte: „Jedes einzelne Bauvorhaben hätte dann die Chance, das Stadtbild zu verbessern“, sagte er im Bauausschuss. Er versprach sich ferner mehr Verantwortungsbewusstsein für eine gute Baukultur bei Bauherren und Architekten. Angesichts der immer stärker zusammenrückenden Gebäude sei im Ort ein „Unbehagen“ entstanden. „Auch die Allgemeinheit hat einen Anspruch auf ein harmonisches Stadtbild.“
Teurer Luxus mit Zeitproblem
Im Stadtrat war die große Mehrheit nicht überzeugt von der Sinnhaftigkeit eines Trios von drei Fachleuten, die für einen Etat von etwa 50.000 Euro turnusmäßig tagen, Empfehlungen aussprechen und sich bei planerischen Missgriffen mit dem Bauwerber zusammensetzen sollen. Angesichts der Ebbe in der Stadtkasse könne man sich einen solchen Luxus nicht leisten, so der Tenor. Enttäuschung machte sich breit, als es hieß, der Rat sei nicht für Einzelvorhaben in Wohngebieten gedacht. Außerdem wäre er mit Sitzungen alle zwei Monate kaum in der Lage, die Bauanträge fristgerecht zu bearbeiten, so die Befürchtung von Bürgermeister Patrick Janik (UWG). „Es schafft mehr Bürokratie, als es uns hilft.“ Ludwig Jägerhuber (CSU) glaubt fest daran, mit den eigenen Leuten gute Architektur machen zu können. „Das geht, wenn sich Bauherr, Verwaltung und Architekten nur genug Mühe machen.“ Und Marc Fiedler (FDP) sah durch die Praxis, sich an die Empfehlungen des Expertenrats zu halten, die Verantwortung des Stadtrats geschwächt. Außerdem würden bei größeren Projekten doch eh Wettbewerbe veranstaltet, so Jägerhuber.
Gute Architektur könnte die Stadt der „Schönen und Reichen“, wie es immer wieder heißt, schon brauchen. „Der Ruf Starnbergs und seine äußere Gestaltung klaffen stark auseinander“, so Franz Sengl (Grüne).
Durcheinander an Baustilen
Die Stadtvillen des 19. Jahrhunderts, expressionistische Geschäftshäuser wie die AOK, „Schlichtwohnungen“ zur Behebung der drängenden Wohnungsnot der Nachkriegszeit, Genossenschaftsbau in der Maximilianstraße in den Fünfzigern, hemmungsloser Bauboom in den Sechzigern, einzelne Prestigeprojekte der Gegenwart – in Starnberg herrscht ein wildes Durcheinander an Baustilen vor. In den 1950er Jahren war sogar mal die Rede von zwölfstöckigen Wolkenkratzer-Hotels am Seeufer und Drahtseilbahn hinauf zur Schießstätte, ein planerisches Luftschloss, das auch ohne Gestaltungsbeirat einen schnellen Tod starb. Das erste Hochhaus der Stadt war 1959 das siebenstöckige „Gassner-Hochhaus“ an der Münchner Straße, das offenbar ohne großes Stirnrunzeln den Stadtrat passierte, wie es Autor Paul Hoser in der „Starnberger Stadtgeschichte“ dokumentiert. Die städtebauliche Marschrichtung war seit den 1950er Jahren Dauerthema. Im Lauf der Jahrzehnte gab es immer wieder Baukörper im Stadtzentrum, die für Schlagzeilen sorgten. Gewöhnungsbedürftig fanden die Bürger etwa den weißen Würfel der Deutschen Bank in der Wittelsbacher Straße, sie lästerten anfangs ausgiebig über die goldene Fassade des „Maxquartett“ in der Maximilianstraße. In den 1970er Jahren waren es klobige Betonbauten wie die Kreissparkasse, die mit ihrem „Sargdeckeldach“ (heute zurückgebaut) in der Öffentlichkeit durchfiel, der Stadtmarkt Starnberg wurde anfangs als „klotziger Superbau“ gebrandmarkt. Zwar weiß jedes Kind, dass Architektur immer Geschmacksfrage ist und Traditionalisten haben meistens viel zu meckern. Baurecht allein schafft aber noch keine gute Gestaltung.
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