Mit Laib und Seele
Was wäre die "Starnberger Tafel" ohne ihre Ehrenamtlichen
Tanja Unbehaun hatte es satt, das ewige Gejammer in ihrem Bekanntenkreis. „Ich konnte das nicht mehr hören“, sagt sie. „Ich wollte aktiv werden.“ Die Ende 40-Jährige arbeitet als Ehrenamtliche bei der „Starnberger Tafel“. Das gibt ihr Erfüllung: „Es ist viel mehr als Lebensmittel verteilen.“
Ein Donnerstag im Winter um die Mittagszeit. Die Sonne scheint, aber es pfeift ein eisiger Wind über den Platz vor der evangelischen Kirche in der Kaiser-Wilhelm-Straße in Starnberg. Die Helfer – leicht erkennbar in ihren grünen Schürzen - sind mit vollem Einsatz beim Aufbau. Frauen und Männer sortieren, welche Lebensmittel noch brauchbar sind. Unter den Schirmen stehen Kartoffeln, Salat, Gelbe Rüben, Bananen und Äpfel. In der offenen Garage ist eine riesige Brotabteilung mit Baguette und sogar leckeren Kuchenstücken. Zu haben ist alles, von Eier und Wurst bis zu Konserven. Fast könnte man meinen, man sei auf einem echten Markt. Der Unterschied: Die Lebensmittel sind gespendet und die „Kunden“ sind Bedürftige, die ab 13.30 Uhr für den symbolischen Preis von einem Euro hier einkaufen dürfen.
350 Leute versorgen
„Wir versorgen rund 350 Menschen“, erklärt Erika Ardelt (63), die Vorsitzende des 2016 gegründeten Vereins. Die Tafel selbst feiert dieses Jahr 20-jähriges Bestehen. Sie wurde 1998 von Edith Clemm ins Leben gerufen, zu einer Zeit, als es eine echte Pionierarbeit war, abgelaufene Lebensmittel zu verteilen. „Die ersten Male standen wir mit Schmalzbroten und ein paar Blumenkohlköpfen und warteten, dass jemand kommt“, erzählte Clemm einmal im Interview mit unserer Zeitung. „Vorher waren wir zu den Obdachlosen am See gegangen und hatten ihnen Zettel mit unserer Adresse in die Hand gedrückt.“
Wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Warteten anfangs zwei Dutzend Leute vor der Ausgabestelle, sind es heute weit über hundert. Sie stehen auch an, wenn es regnet, schneit oder die Sonne sticht, denn sie haben Hunger. Es kommen Menschen, deren Einkommen nicht reicht: Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Alleinerziehende, Rentner, Flüchtlinge.
"Das Richtige tun"
Die Starnberger Tafel ist eine der größten in der Gegend. „Wir haben viele Unterstützer, aber die Tafel ist kein Selbstläufer", sagt Ardelt. „Wir müssen ständig rekrutieren.“ Immer gefragt sind Leute mit starken Armen zum Einsammeln der Lebensmittel und für den Auf- und Abbau. Der harte Kern besteht aus 25 Helfern – davon zwei Drittel Frauen. Auch Flüchtlinge engagieren sich und Schüler, die ein Praktikum ableisten, berichtet Ardelt, die den ganzen Donnerstag vor Ort ist. "Wenn ich heimkomme, bin ich zwar erschöpft, aber habe das Gefühl, das Richtige zu tun."
"Es erdet mich"
Fünf Jahre dabei ist Martina Klein (52). „Mir ist durch das Ehrenamt bewusst geworden, wie privilegiert mein Leben ist“, meint sie. „Die Tätigkeit bei der Tafel erdet mich.“ Was ihr außerdem gefällt: vielen unterschiedlichen Menschen zu begegnen und gemeinsam etwas zu bewegen.
Der erste Einsatz war für Tanja Unbehaun nicht leicht. „Ich musste zwischendurch mal rausgehen, so haben mich die Schicksale mitgenommen.“ Bald aber sah sie, wie sehr sie gebraucht wird. Die Menschen, die zur Tafel kommen, haben nicht nur Hunger, sondern brauchen auch mal jemand zum Reden. Wie Unbehaun anfangs schon sagte: Es ist eben viel mehr als nur Lebensmittel verteilen.
Wer mitmachen möchte, wendet sich an Erika Ardelt (Telefon 179/2929921). Am Sonntag, 21. Januar, findet außerdem im Gasteig München von 10 bis17 Uhr die Münchner Freiwilligen Messe statt. Hier finden Menschen, die sich engagieren wollen, viele Ideen.
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