Kopflastig
Buchheim Museum hat Neues zu bieten
Lothar Günther Buchheim war ein Sammler aus Leidenschaft. Kaum etwas entging seiner fast schon zwanghaft zu nennenden Begeisterung für Kunsterzeugnisse aller Art, die er in stetig wachsender Zahl zunächst im eigenen Haus hortete und dann seinem Museum am Ufer des Starberger Sees zur Verfügung stellte. Dass in diesem Weltbild ein Museum mit rein konservatorischem Charakter jedoch keinen Platz hat, versteht sich an sich von selbst. „Meine Sammlung soll nicht einen Endzustand markieren, sondern sie sollte den Anfang machen“, sagte Buchheim. Diesem Diktum fühlt sich das Buchheim Museum der Phantasie in Bernried nach wie vor verpflichtet und bemüht sich redlich, die historische Sammlung Buchheim durch Zukäufe kontinuierlich zu erweitern und in der Konfrontation mit Neuem, frische Sichtweisen auf den historischen Bestand zuzulassen.
Prominenter Neuzugang
Zu den spektakulärsten Neuerwerbungen der Sammlung zählt ein „Mystischer Kopf“ (Öl auf Karton) von Alexej Jawlensky, der aus seiner Zeit im Züricher Exil stammt. Als Jawlensky 1914 Deutschland verlassen musste, zog er zunächst an den Genfer See, dann 1917 weiter nach Wollishofen bei Zürich und 1918 schließlich nach Ascona am Lago Maggiore. Jede diese Schweizer Phasen hat ihre eigenen Bildserien hervorgebracht, wobei die Neuerwerbung eine spannende Zwitterrolle einnimmt. Sie zählt sowohl zu den Züricher „Mystischen“ als auch zu den Tessiner „Konstruktiven Köpfen“ beziehungsweise den „Heilandgesichtern“. Beide Titel hat Jawlensky selbst auf der Rückseite des in zarten Pastellfarben gehaltenen Gemäldes notiert. Innerhalb des Bestandes an Jawlensky-Gemälden im Buchheim Museum stellt der neue „Mystische Kopf“ nicht nur eine spannende Ergänzung dar, sondern führt auf höchst anschauliche Weise die Entwicklung seiner Porträtkunst von dem noch stark expressionistisch geprägten Münchner „Kopf in Blau“ bis hin zur kompletten Abstraktion in seinem Spätwerk vor Augen.
Grandiose Neuentdeckung
Neben der prominenten Neuerwerbung präsentiert das Museum Buchheim in einer kleinen Sonderausstellung seit Mitte Juli außerdem Porträts und Landschaften aus dem Spätwerk des amerikanischen Malers Clifford Holmead, der hierzulande kaum bekannt ist, gleichwohl aber auf dem besten Wege zu sein scheint, die aufregendste Neuentdeckung des Buchheim Museums zu werden. Geboren 1889 in Pennsylvanien als Sohn eines schwerreichen Möbelfabrikanten, gestorben 1975 in Brüssel, entdeckte er seine Liebe zur Malerei auf einer Europareise, und fasste den Entschluss Maler zu werden. Obwohl durchaus begabter Autodidakt blieb er sowohl geografisch wie künstlerisch zeitlebens ein Wanderer zwischen den Welten, der alle entscheidenden Veränderungen in der Kunst der Moderne immer wieder verpasste. Nach mehr als 24 Schiffspassagen zwischen USA und Europa, zwei Weltkriegen, 50 Jahren künstlerischer Betätigung im Schatten der Avantgarde, und zu guter Letzt noch einem Schlaganfall, sicherte sich Holmead mit demselben für ihn typischen Anachronismus dennoch einen unverwechselbaren Platz in der Kunstgeschichte, indem er erst als greiser Maler die neuartige Malweise des „Shorthand Painting“ entwickelte. Dabei werden mit einigen wenigen Spachtelhieben in nur kürzester Zeit fertige Bilder auf die Leinwand gebracht. Das Ergebnis sind grandiose Porträts, einzigartige Momentaufnahmen, die in skurriler Weise Gesichter skizzieren und ihnen dennoch ein typisches und zutiefst menschliches Antlitz verleihen.
Aussicht auf Zustiftung
Die noch bis 3. Oktober gezeigte Ausstellung wurde aus Leihgaben der Sammlung Joseph Hierling zusammengestellt, die der Kunsthalle Schweinfurt angegliedert ist. Mit etwas Glück bildet die aktuelle Holmead-Ausstellung jedoch nur das Appetithäppchen für Weiteres. Denn das Buchheim Museum spekuliert seit einiger Zeit auf die Zustiftung eines Konvoluts von zahlreichen Holmead- Arbeiten, die derzeit noch Bestandteil der Holmead Stiftung in Bremen sind, deren Auflösung jedoch kurz bevorsteht. Auf diese Weise wäre dem Wunsch Buchheims erneut genüge getan, seine Sammlung kontinuierlich um neue Schätze zu erweitern.
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