Alte Heimat, neue Heimat
Pommern-Vertriebene verstehen sich als Brückenbauer zwischen den Nationen
Allen Vertriebenenverbänden in Deutschland haftete jahrzehntelang – und dies keineswegs zu Unrecht – der Ruf des politischen Revanchismus an. Entsprechend wurden ihre Vertreter in der Öffentlichkeit als ewig Gestrige verdächtigt, die nicht wahrhaben wollten, was doch längst unabänderlich beschlossen war, nämlich der offizielle Verzicht auf alle ehemals deutschen Gebiete und Ansiedlungen im Osten Europas, die wie Pommern und Schlesien jetzt zum Staatgebiet Polens gehören, oder wie das Sudentenland, Banat, Siebenbürgen oder Bukowina zu Tschechien, Ungarn oder zur Ukraine beziehungsweise zu Rumänien.
Freundschaftlicher Dialog
Gut siebzig Jahre später gibt es noch immer Vertriebenenorganisationen, hier die schlesischen und sudetendeutschen Landsmannschaften, dort die Heimatvertriebenen aus Pommern und Ostpreußen, die sich noch immer mit großem Elan der Pflege der Kultur und Geschichte der ehemals deutschen Ostgebiete widmen. „Doch die weltanschaulichen Vorzeichen, unter denen dies heute geschieht, sind längst andere geworden“, betont Ernst Schroeder, Vorsitzender der Pommern-Vertriebenen Südbayern und beruft sich auf Ehrungen und Auszeichnungen, mit denen Politiker aller Colours, das Engagement des Verbandes zu würdigen wissen. „Wir verstehen uns als Brückenbauer zwischen den Nationen“, sagt Ernst Schroeder, der 1940 in Kolberg geboren wurde und vor allem den Schrecken von Flucht und Vertreibung als Kind erlebte. Darum engagiert er sich neben seiner Verbandstätigkeit auch intensiv im Asylhelferkreis seiner Allgäuer Wahlheimat.
Ernst Schroeder wohnt zwar inzwischen in Waal, hat aber vorher viele Jahre in Gilching gelebt und ist deshalb der Starnberger Ortsgruppe eng verbunden. Ihm ist es wichtig die Verbindung mit der Heimat seiner Väter nicht abreißen zu lassen. Deshalb organisiert er nicht nur regelmäßig Reisen nach Kolberg und in die anderen alten Städte im ehemaligen Pommern. Er setzt auch auf den Dialog zwischen Deutschen und Polen und hält regen Kontakt sowohl zu den polnischen Institutionen, die mit dem Erhalt der Bauwerke und des Kulturerbes betraut sind, als auch beispielsweise zum Oberbürgermeister seiner Geburtsstadt, dem jetzigen Kolobrzeg. Erst im Frühjahr 2017 war Janusz Gromek wieder zu Besuch in Starnberg und sogar Ehrengast bei einer Plenarsitzung im Landtag und einem anschließenden Abendessen mit Vertretern aller Fraktionen. Ein Gegenbesuch ist schon geplant.
Altersdurchschnitt 85 Jahre
Soviel Aktionismus ist in der 1952 gegründeten Starnberger Kreisgruppe der Pommern-Vertriebenen selten geworden. „Ausflüge und Reisen, sind für die meisten meiner 24 Mitglieder inzwischen viel zu beschwerlich. Wir sind eine aussterbende Art“ sagt Rosemarie Becker und lacht schallend. Erst im vorigen Jahr hat sie das Amt der Vorsitzenden der Starnberger Gruppe von Arnold Birk übernommen, der ein halbes Jahrhundert lang die Geschicke der Pommern-Vertriebenen im Landkreis lenkte. Erst vor ein paar Tagen feierte Arnold Birk seinen 90-ten Geburtstag. Rosemarie Becker ist nur ein paar Jahre jünger. Mit ihren 87 Jahren repräsentiert sie exakt den Altersdurchschnitt der betagten Kreisgruppe, die es dennoch schafft, sich regelmäßig einmal im Monat zum Gedankenaustausch zu treffen. Sie alle genießen es, bei dieser Gelegenheit ausgiebig in Erinnerungen an die alte Heimat zu schwelgen, doch aktuelle Themen, zum Beispiel der Wahlkampf, werden genauso oft diskutiert. Rosemarie Becker, die ihren Geburtsort Kolberg als Teenager verlassen musste und seit 1964 in Starnberg zu Hause ist, hadert weder mit der Vergangenheit noch mit dem Alter. „Heute freue ich mich, dass ich hier in Starnberg eine neue Heimat gefunden habe.“ Sagt sie und ist stolz und dankbar zugleich, in ihrem Alter ihr Ehrenamt noch mit so viel Energie ausfüllen zu können.
Zum 90. Geburtstag von Arnold Birk
Arnold Birk, langjähriger Vorsitzender der Starnberger Kreisgruppe der Pommern, Ost- und Westpreußen feierte am 30. August seinen 90-ten Geburtstag. Aus einer pommerschen Familie stammend wurde er 1927 in Novosibirsk in der damaligen Sowjetunion geboren, zog aber bereits als Kleinkind mit seiner Mutter zu Verwandten nach Pommern. Nach dem Besuch der Mittelschule in Körlin wurde er als 16-Jähriger erst zum Reichsarbeitsdienst und schließlich zur Wehrmacht eingezogen. Bei Kriegsende geriet er in Österreich in sowjetische Kriegsgefangenschaft, konnte aber fliehen und sich nach Bayern durchkämpfen. Erneut kam er in Gefangenschaft, diesmal in amerikanische. Nach seiner Entlassung schlug er sich eine Zeitlang in München mit verschiedenen Jobs durch, bevor er 1959 in den Polizeidienst eintrat. Mit seiner Versetzung zur Polizeidienststelle Starnberg zog Birk mit seiner Familie 1962 nach Starnberg, wo er noch immer lebt. Bei der Polizei war er bis zu seiner Pensionierung 1987 unter anderem als Hundeführer tätig.
Bereits 1946 schloss er sich der Münchener Pommerngruppe an und widmete sich fortan siebzig Jahre lang den Belangen der Pommern-Vertriebenen. In Starnberg wurde er 1962 zum Schriftführer und zweiten Vorsitzenden der Kreisgruppe gewählt. 1993 übernahm er die Leitung der Tutzinger Pommerngruppe und nach der Fusion mit Starnberg auch den Vorsitz der neuen Starnberger Kreisgruppe, der sich später die Ost- und Westpreußen anschlossen. Ein wichtiger Höhepunkt seiner Amtszeit war die Jubiläumsfeier zum 50-jährigen Bestehen der Kreisgruppe im Jahre 2002. Die Veranstaltung in der Starnberger Schlossberghalle mit Otto von Habsburg als Festredner wurde im Bayerischen Rundfunk übertragen.
Arnold Birk war außerdem ehrenamtlicher Landesgeschäftsführer der Pommerschen Landsmannschaft in Bayern und ist Träger der goldenen Ehrennadel der Pommerschen Landsmannschaft auf Bundesebene. Bei seinem Ausscheiden aus dem Amt im vergangenen Jahr wurde Arnold Birk von der Kreisgruppe der Pommern, Ost- und Westpreußen aufgrund seiner Verdienste zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
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