"Wir machen's den Leuten bequem!"
So trotzt Wäscherhersteller Comazo der Krise
Wer es gern bequem mag, hat die Qual der Wahl. Untenrum die Shorts, die Dreiviertelhose, das lange Bein, mit Bündchen oder ohne. Obenrum Langarm, Kurzarm oder gleich ein Top, es ist ja Sommer. Unifarben, Streifen, Muster wollen munter drauflos kombiniert werden. Für die Herren gerne sportliche Sets in marine und rot. Für die Damen feminine Looks in limone und grau, mauve und silber. Gefühlt sitzt ganz Deutschland im Homeoffice. „Wer trägt zuhause schon weiße Bluse oder frisch gebügeltes Bürohemd“, findet auch Johanna Liehmann-Brenner beim Rundgang durch den Comazo-Store in Martinsried. Wenn‘s daheim legerer zugeht, dann aber bitte mit Stil. Ebenso ausgedient wie der steife Dresscode hat die schlampige alte Jogginghose.
Alle tragen Homewear
„Heute heißt das Homewear oder Loungewear“, erklärt die Fachfrau. Das Geschäft mit den Kollektionen rund um die Freizeitmode brummt. „Das ist schon länger im Kommen, aber seit dem Lockdown hat es richtig angezogen, das merken wir ganz deutlich.“
Ein Grund dafür könnte sein, dass der familiengeführte Wäscheproduzent mehr zu bieten hat als lockere Schnitte und bequeme Bundgummis. Bambusbaumwolle, Bioqualität, Mikrofaser, Modal, Merino stehen auf den Etiketten. „Fühlen Sie mal, wie soft das Material ist“, sagt Liehmann-Brenner. Untendrunter darf es nämlich nicht zwicken und zwacken, weder bei den Männlein noch bei den Weiblein.
Komfort-Teilchen
Der jüngere Herr greift gern zu körpernahen Trunks und Pants, wie die Unterhosen heute heißen, die reifere Generation zu gediegeneren Schnitten. Beide Geschlechter tragen immer häufiger auch im Alltag Sportwäsche, besonders in Berufen, die Bewegung erfordern. Viele Kundinnen kaufen am liebsten BHs und Bustiers ohne drückende Bügel, dafür lieber „gemoldet“ und mit „Soft Cups“, oder sie wählen Slips, deren Beinabschlüsse mit neuartigem Lasercut statt den üblichen Nähten versäubert sind, damit nichts drücken kann. Schon die Namensgebung der Farben ist ein Versprechen auf schmeichelnden Komfort: peach, muschel, vanille, auch wenn mal ein modisches Apfelrot dazwischen funkt.
Vom Bett ins Büro sind es in Corona-Zeiten ja manchmal nur ein paar Meter, da sind Modelle gefragt, die tags wie nachts eine gute Figur machen. Frau Liehmann-Brenner demonstriert das an einem himbeerfarbenen Kleidchen, das als Nachthemd wie als Sommerdress durchgeht. „Edel und elegant, damit können Sie ohne weiteres raus zum Briefkasten gehen“, klärt sie auf und wandert zum nächsten Ständer, wo eine dezent mit Spitzen verzierte graue Yogahose mit passendem Oberteil hängt. „Nach einem Tag mit 30 Grad in der Arbeit ab unter die Dusche und dann das anziehen, was für ein herrlich fluffiges Gefühl.“
Sie nähten Masken
Corona hin oder her, bei Comazo, der Marke mit dem Krönchen im Titel, wird nicht gejammert. Trotz italienischer Namensanklänge ist Comazo ein deutscher Unterwäschehersteller, der abgekürzt für „Conrad Maier zum Ochsen“ steht. Ein Hinweis auf den im Gründungsjahr 1884 benachbarten Gasthof im schwäbischen Albstadt, in einer Zeit, als Straßenbenennungen noch unüblich waren. Bis heute werden am Stammsitz die Zuschnitte gemacht, die Muster genäht und die Waren produziert, unterstützt von den eigenen Nähereien in Kroatien und Rumänien. Teure Werbekampagnen mit Supermodels verkneift sich das Familienunternehmen. Lieber gibt es das eingesparte Budget in Form von günstigeren Preisen direkt an die Kunden im Herstellerverkauf in den eigenen 27 Stores in Süddeutschland weiter.
Comazo Martinsried stellt ein
Einer davon ist seit 2006 in Martinsried. Und hier habe sie der Corona-Lockdown voll erwischt, so Liehmann-Brenner. Mitte März sei man eben fertig gewesen mit der Modernisierung des Ladens. Mehr edles Fachgeschäftambiente, neue Schaufensterpuppen, ein schönes Lounge-Eck für die Kunden für die Espresso-Pause, so viel Mühe hatten sie sich gegeben. Selbst die Inserate für die Neueröffnung waren schon gebucht. „Das alles fiel Corona zum Opfer“, bedauert Liehmann Brenner. „Das hat richtig weh getan, als wir schließen mussten.“
Standen in Deutschland viele Maschinen still, in Albstadt surrten die Nähmaschinen weiter. „Es kam die Maskenpflicht, und wir konnten liefern“, so die Wäscheexpertin erleichtert. Denn das Unternehmen hatte rechtzeitig die Produktion auf „Maultäschle“ umgestellt, wie sie bei Comazo den Mundschutz in schönstem Schwäbisch liebevoll nennen. Als Textilhersteller lag das nahe: „Wir hatten alles da, die Gummibänder und im Lager einen riesigen Vorrat an Stoffballen.“ Ob das den Umsatzeinbruch auffangen wird, werde sich erst am Jahresende herausstellen.
Wie anderen Geschäften auch machte die Corona-Schließung Comazo schwer zu schaffen. Zwar wurde online mehr bestellt, es sei deutlich spürbar gewesen, dass die Leute mehr daheim waren und Zeit zum Surfen hatten. Trotzdem: „Dass 27 Stores wochenlang zu hatten, hat uns viel gekostet.“ Auch wenn das Verkaufspersonal vorübergehend in Kurzarbeit gehen musste, im Unternehmen ist man erleichtert darüber, ohne Kündigungen davongekommen zu sein. Comazo stellt sogar neu ein. „Wir suchen für den Verkauf in Martinsried dringend Verstärkung, nachdem unsere Frau Böttger, die seit 2006 dabei ist, in den Ruhestand geht“, so Johanna Liehmann-Brenner.
Kunden kamen zurück
Mit den Corona-Lockerungen kamen auch die Kunden zurück. „Gleich am ersten Tag“, ist man in Martinsried glücklich. Viele hätten sich etwas Gutes tun wollen, etwas Neues gebraucht oder wieder richtig Lust aufs Shopping gehabt. Ein Trend im Kaufverhalten setzt sich weiter fort: „Die Kunden kaufen gern bequeme Sachen und wenn sie ein Modell haben, das sie besonders mögen, wollen sie es immer wieder nachkaufen.“ Dann gerne auch mal in modischeren Farben anstatt in den Klassikern weiß, schwarz und dem blassen beige, was früher „haut“ hieß oder „skin“ und das der schwäbische Wäschehersteller neuerdings in „Whisky“ umgetauft hat, um keine rassistischen Stereotype zu bedienen. Alles in allem hofft Comazo, mit einem blauen Auge durch die Krise zu kommen. „Schöne Wäsche geht halt immer“, ist die Erfahrung von Johanna Liehmann-Brenner.
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