Wenn Senioren zu viel trinken
Ein neues Projekt will die Gesundheit im Alter fördern
Ein Gläschen in Ehren schadet Opa schon nicht? Falsch. Wer alt ist, muss aufpassen, wenn er Alkohol trinkt und Tabletten nimmt. Senioren sind stark suchtgefährdet, sogar stärker als jüngere Menschen. 22 Prozent der Frauen über 65 Jahre trinken sich regelmäßig in den Rausch (mindestens einmal im Monat mehr als fünf bis sechs alkoholische Getränke pro Gelegenheit), bei den Männern sind es sogar 35 Prozent, so eine Studie des Robert-Koch-Instituts . Die Ursachen dafür liegen in den Herausforderungen des neuen Lebensabschnitts, so Stefan Wenger, Abteilungsleiter von Condrobs in Starnberg. Mit Eintritt in die Rente fehlt der geregelte Tagesablauf, die Kinder sind ausgezogen, der Partner vielleicht schon gestorben. Dazu kommen oft noch Krankheiten oder finanzielle Probleme. Alkohol und Medikamente scheinen da oft als einfacher Ausweg, lindern sie nicht nur Schmerzen, sondern auch die Einsamkeit.
Im Alter ohne Sucht
In der Starnberger Suchtberatung Condrobs macht der Anteil der über 60-Jährigen schon zwölf Prozent aus, sagt Matthias Taube, Leiter der Einrichtung. Besonders wichtig sei es daher, gefährdete Menschen zu erreichen, bevor sie süchtig werden. „Wir wollen nicht die Abhängigen ansprechen, unsere Zielgruppe sind die Senioren, die wir auf das Problem aufmerksam machen wollen.“ Denn in der Prävention braucht es noch keine aufwändigen Therapien, es reicht oft eine klare Ansprache. Hier setzt das neue Projekt „Unabhängig im Alter – Primärprävention für Senioren“ an, das in Zusammenarbeit mit einer Krankenkasse Schulungen für Fachkräfte in der Pflege, in der Nachbarschaftshilfe und Seniorenarbeit anbietet, um sie für Suchtprobleme zu sensibilisieren und ihre Klientel bei Gesundheitsfragen zu unterstützen. Ziel ist es, zusammen mit Condrobs ein starkes Hilfenetz aufzubauen, das nach Abschluss des Projekts selbstständig weiterlaufen kann. In einem zweiten Schritt sollen auch die alten Menschen selbst in Workshops mehr über einen gesundheitsbewussten Lebensstil erfahren. „Es geht nicht darum, den Rentnern das Glas Wein madig zu machen“, so Wenger. Das Problem sei, dass durch den verlangsamten Stoffwechsel im Alter Alkohol und Tabletten anders wirken und langsamer abgebaut werden. „Die Mengen an Alkohol, die man mit 40 verträgt, kann man mit 80 eben nicht mehr trinken“, sagte Wenger. „Ein Viertel Wein ist vielleicht schon zu viel.“ Und gerade im Zusammenspiel mit Alkohol könne sich die Wirkung von Medikamenten verstärken, zu Schwindelanfällen und Stürzen führen. Der Hausarzt sollte deshalb immer wieder einen Blick auf die Dosis haben. Viele ältere Menschen trinken schleichend über die Jahre immer mehr. „Das ist ein verdecktes Problem“, hat Petra Fontana von der Fachstelle Senioren im Landratsamt Starnberg beobachtet. Das Ziel ist es, den eigenen Alkoholkonsum zu hinterfragen und zu einem strukturierten Tagesablauf zu motivieren. „Je mehr ich in der Gesellschaft eingebunden bin, umso weniger brauche ich das Suchtmittel, um meine Einsamkeit zu füllen“, machte Wenger deutlich. „Es geht darum, abends nicht automatisch die Taste Alkohol zu drücken und sich über den Wein die Entspannung zu holen.“
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