5-Seend Wochenanzeiger Wir sind Ihr Wochenblatt für das Fünfseenland

„Belassen wir alles, wie es ist“

Gräfelfinger Gemeinderat lehnt Bahnunterführung Brunhamstraße ab

München will den Neuaubinger Bahndamm schließen und die Straße unter den Gleisen hindurchführen. Grundlage dafür sind Zahlenvorgaben der Bahn. Gutachter widerlegten das Zahlenwerk im Gräfelfinger Gemeinderat, woraufhin der Rat das Bauvorhaben einstimmig ablehnte. (Bild: us)

Rund 350 Bürger verfolgten die letzte Sitzung des Gräfelfinger Gemeinderats im Bürgerhaus und auch via Livestream am Bildschirm zu Hause. Der Grund fürs große Interesse war die Sitzungsvorlage zur unliebsamen Unterführung an der Brunhamstraße. Dort plant München die bestehende Bahnschranke aufzuheben und die Gleise stattdessen zu untertunneln.

Wie aus den Fraktionen gefordert beauftragte die Verwaltung dafür zwei Gutachter: Prof. Martin Vieregg vom Ingenieurbüro Vieregg-Rössler GmbH zum Thema, wie sich die zweite Stammstrecke voraussichtlich auf die Schrankensperrzeiten auswirken könnte, und Verkehrsplaner Helmuth Ammerl vom Büro Obermeyer zur Verkehrs- und Lärmbelastung.

„Das sehe ich sehr kritisch“

Bürgermeister Peter Köstler begrüßte die Runde mit einem kleinen geschichtlichen Einstieg. „Die Unterführung kommt seit Ende der 70er Jahre immer wieder zur Sprache.“ Jetzt hätten sowohl der Siedlungsdruck aus Freiham als auch der Baufortschritt an der zweiten S-Bahn-Stammstrecke die Diskussion erneut entfacht. „Die Auswirkungen auf Gräfelfing sind unmittelbar. Unser großer Nachbar München führt hier auf unserem Rücken Planungen aus. Das sage ich ganz offen“, meinte er. „Das sehe ich sehr kritisch.“

Denn auf Grundlage der Bahn-Vorgaben will München mit allem Nachdruck die Unterführung verwirklichen. Dazu begrüßte Köstler Robert Adam, Vertreter aus dem neuen Mobilitätsreferat der Stadt München, als allerersten Redner des Abends. „Seit eineinhalb Jahren planen wir die Unterführung“, erklärte Adam. Im Moment werde eine Beschlussvorlage für den Münchner Stadtrat erarbeitet, damit die Entscheidung zum Bau noch in diesem Jahr gefällt werden könne. Einschließlich der Stellungnahmen der Nachbarn, wie eben Gräfelfing.

"Erstaunlich gut funktionierender Bahnübergang"

Der Zugzwang zur Unterführung ergebe sich aus den Schließzeiten des Bahndamms. „Statt heute 26 Minuten pro Stunde werden die Bahnschranken nach Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke 46 Minuten pro Stunde unten sein“, so Adam unter Berufung aufs DB-Zahlenwerk. „Damit fahren die Fahrzeuge von Stau zu Stau, die Leistungsfähigkeit der Kreuzung Bodenseestraße/ Brunhamstraße sinkt dramatisch, vor allem werden Gleise eventuell gar nicht mehr geräumt werden können.“

Als zweiter Redner erklärte Vieregg seinen Standpunkt. „Meine Aufgabe war es zu prüfen, ob die Zahlen stimmen und ob es Optimierungspotenzial gibt.“ Seinen Berechnungen und tatsächlichen Messungen per Stoppuhr zufolge sind die Schranken derzeit in der Hauptverkehrszeit für 18,5 Minuten pro Stunde und künftig maximal für 17,9 Minuten pro Stunde geschlossen, falls es nicht zu Überlappungen im Bahngegenverkehr kommen wird. „Keinesfalls 46 Minuten pro Stunde! Das geht gar nicht. Es ist ein erstaunlich gut funktionierender Bahnübergang. Der ist kaum zu optimieren.“

Mehr Verkehr mit und ohne Unterführung

Die Frage aus dem Gremium, wie die Bahn zu derart hohen Zahlen kommen könnte, konnte er nicht genau erklären. „Eisenbahnplanung ist wahnsinnig kompliziert“, meinte er. Auch Verkehrsplaner Ammerl bestätigte: „Die Schließzeiten betragen mit Sicherheit heute nicht eine knappe halbe Stunde. Sonst würde der Verkehr gar nicht bewältigt werden können.“

Im Weiteren erklärte Ammerl die zukünftige Verkehrsentwicklung an der Stelle und kam zum Schluss, dass in zehn Jahren bis zu 40 Prozent mehr Verkehr gegenüber der heutigen Situation in der Aubinger Straße und bis zu 20 Prozent in der Lochhamer Straße fließen wird. Die höhere Verkehrsbelastung sei aufgrund der generellen strukturellen Entwicklungen zu erwarten und werde durch die Schließung des Bahnübergangs noch einmal erhöht.

Einstimmig abgelehnt

„Die Lösung ist also ganz einfach“, meinte daraufhin Bürgermeister Köstler. „Belassen wir alles, wie es ist.“ Martin Feldner (Grüne) kritisierte das Vorgehen der Bahn und der Stadt und fragte den Münchner Planer: „Wieso haben Sie die Zeiten, die die Bahn vorgibt, nicht geprüft?“ Und Walter Frank (CSU) fragte ihn, ob schon einmal eine Tunnellösung für den Schienenverkehr untersucht worden wäre. „Zu teuer“, antwortete Adam auf die Tunnelfrage.

Und das Zahlenwerk der Bahn kommentierte er so: „Wenn die Bahn die Aussage tätigt, dass es zu Schließzeiten von 46 Minuten kommen wird, dann glauben wir das erst einmal.“ „Ist die Planung mit diesen eklatant anderen Zahlen nicht automatisch ad-acta?“, fragte Ulrike Tuchnitz (Grüne). „Ich unterstütze die Ablehnung“, erklärte auch Thomas Heidenreich (CSU). „Die Schließzeiten sind ganz anders als vorgebracht. Eine Grundlage für die Unterführung sehe ich nicht.“ Am Ende lehnte der Gemeinderat das Bauvorhaben aus München einstimmig ab.

Startseite Anzeige aufgeben Zeitung online lesen Jobs Kontakt Facebook Anfahrt