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Mit kritischem Blick

"Mahnwache fürs Grundgesetz" vorm Bürgerhaus Gräfelfing

„Unser Ziel ist es, ins Gespräch miteinander zu kommen und Dinge und Verordnungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu hinterfragen, so wie es sich für eine Demokratie gehört.“ Rechts im Bild Thomas Langhof, Mitte Sängerin Julia Kraushaar bei der letzten Mahnwache. (Bild: us)

Mit kurzer Pfingstferien-Unterbrechung trifft sich jeden Samstag ein stetig wachsender Kreis von Bürgern vorm Gräfelfinger Bürgerhaus, der für Freiheits- und Demokratierechte in Zeiten von Corona eintritt und dafür betroffenen Berufsgruppen und Einrichtungen die Bühne überlässt. Initiator Thomas Langhof hatte die Idee dazu schon Anfang April.

Der erste Antrag auf Mahnwache am 11. April wurde zunächst abgelehnt, woraufhin Langhof mit Freunden durch die Bahnhofsstraße in Gräfelfing mit selbst gestaltetem T-Shirt, Mundschutz mit Botschaft und dem Grundgesetz in der Hand gelaufen und dabei mit Passanten ins Gespräch gekommen ist.

Singen ist nicht gefährlich

Seit dem 18. April ist die Veranstaltung genehmigt und findet mehr und mehr Zuspruch. „Wir versuchen möglichst viele Leute aus unterschiedlichen Berufsfeldern mit Redebeiträgen einzubeziehen“, so Langhof. Das widerspiegele die vielen Interessen und Erfahrungen und solle die Gruppe zukünftig auf eine breite Basis stellen. „Unser Ziel ist es, ins Gespräch miteinander zu kommen und Dinge und Verordnungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu hinterfragen, so wie es sich für eine Demokratie gehört.“

Die Themen entspringen dem alltäglichen Umgang mit Corona. Beim letzten Treffen vor den Pfingstferien erzählte Waldorflehrerin und Sängerin Julia Kraushaar von ihren Unterrichtserfahrungen. „Mein Alltag als Musiklehrerin ist ganz anders, als noch vor ein paar Monaten. Ich darf nicht singen mit den Kindern. Musizieren ist durch ständige Desinfektion, Abstandsregeln und Maskengebrauch unglaublich erschwert. Auch für unsere Kinder, die teils mit Autismus, Angststörungen und Entwicklungsverzögerungen kommen, sind diese Zumutungen eine große Belastung, die sie irritiert und verschreckt“, erzählte sie.

Mit Horizonterweiterung

Dabei sei Singen alles andere als gefährlich, wie die Studie von Prof. Christian J. Kähler und seinem Assistent Dr. Rainer Hain von der Bundeswehruni München zum Thema Strömungsexperimente jüngst zeigte. „Die Studie zeigte, dass Luft beim Singen nur in unmittelbarer Umgebung des Mundes in Bewegung kommt, das wären höchsten 50 Zentimeter. Eine Virusausbreitung über diese Distanz ist unwahrscheinlich“, las Kraushaar vor. „Und das trifft auf meine Erfahrungen als Sängerin. Denn beim Singen besteht die Kunst darin, möglichst wenig Luft zu bewegen und trotzdem einen schönen Klang zu erzeugen“, erklärte sie weiter.

Neben Kraushaars Plädoyer fürs Singen ging es bei der Mahnwache um einen Aufsatz von Heribert Prantl über „Demonstrationen in bizarren Zeiten“, um den angelegten Rettungsschirm für die freie Kultur oder um aktuelle Situationen in Schulen. Für Initiator Langhof und das Orga-Team sind die Redebeiträge ein wichtiger Baustein, um das große Ganze zu erfassen und gleichzeitig eine Horizonterweiterung für Jedermann. Am 20. Juni findet die nächste Mahnwache vorm Bürgerhaus statt. Weitere sind geplant. Langhof dazu: „Die Mahnwachen wird es so lange geben, bis das Grundgesetz wieder vollumfänglich in Kraft ist. Vielleicht auch darüber hinaus, denn schließlich bedarf es einer gesellschaftlich-juristischen Aufarbeitung der Krise, damit so etwas nie wieder passiert.“

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