„Erinnerte Gegenwart“
Digital: Ausstellung über Schicksale jüdischer Familien im Würmtal
In diesen Tagen sollte die Ausstellung „Erinnerte Gegenwart“ mit Skulpturen der Künstlerin Marlies Poss, vielen Dokumenten aus dem KZ Theresienstadt sowie Briefe, Fotos und Dokumente von jüdischen Würmtaler Familien im Kupferhaus zu sehen sein. Der Verein Gedenken im Würmtal e.V. plante die Schau in Erinnerung an die vielen, bisher für die breite Öffentlichkeit unbekannten Schicksale dieser Familien und hatte ein musikalisches und literarisches Begleitprogramm sowie Historiker-Vorträge organisiert.
„Die Ausstellung über Theresienstadt war schon vor fünf Jahren auf Wanderschaft in Deutschland“, erklärte Initiator und Mitgestalter Jan Mühlstein, ehemaliger Vorsitzender der Liberalen Jüdischen Münchner Gemeinde Beth Shalom. „Jetzt wollten wir sie mit Würmtaler Bezug hier vor Ort noch einmal zeigen.“
Ans Licht geholt: Verfolgte im Würmtal
Mit Hilfe des Stadtarchivs seien 30 Bewohner des Würmtals mit „jüdischer Abstammung“ ausfindig gemacht worden. „Ich war überrascht, wie viele hier verfolgt wurden. Das sind sehr berührende Schicksale.“ Auch die Zahl derer, die in den Suizid getrieben wurden, sei groß, so Mühlstein.
Im Würmtaler Alltag spiele diese düstere Vergangenheit überhaupt keine Rolle. „Wir wissen natürlich vom Todesmarsch. Aber was wissen wir von den verfolgten Juden, die mitten im Würmtal unter uns gelebt haben?“, so Thomas Schaffert vom Verein. Lediglich in der Planegger Chronik von 2009 finden sich einige Zeilen über jüdische Schicksale.
Erinnerungskultur im Würmtal anregen
„Im öffentlichen Raum gibt es keinen Hinweis", bestätigte Mühlstein. „Es waren Würmtaler Mitbürger, hier ansässige Familien. Dieser Schicksale zu erinnern, ist Anliegen unserer Ausstellung. Unser Wunsch ist es, eine Erinnerungskultur in den Gemeinden anzustoßen und die Verfolgten von damals zu würdigen.“
Schon vor einigen Jahren habe das Feodor-Lynen-Gymnasium den „Boden aufgebrochen“, als Schülerarbeiten zum Thema „Planegg unterm Hakenkreuz“ entstanden, die nun immer noch im Gemeindearchiv zu sehen sind. „Jetzt erweitern wir den Horizont auf alle Gemeinden und nehmen auch Bezug auf Theresienstadt, wohin viele der Würmtaler Juden deportiert wurden“, erklärte Vereinsvorsitzender Hannes Stumpf.
Plan B: Ausstellung im Mai 2021 und im Internet
Die Münchner Künstlerin Marlies Poss konzipierte diesen Würmtal-Theresienstadt-Bezug für die Ausstellung eng mit Mühlstein zusammen. Sie ist die Großnichte von Berthie Philipp, die in Theresienstadt als Krankenschwester arbeitete und heimlich Listen führte, die sie nach dem Krieg im Roman "Die Todgeweihten" verarbeitete.
„Es hat einige Zeit gedauert, bis aus dem überlassenen Dokumenten etwas Künstlerisches, Räumliches entstanden ist“, erklärte Poss zu ihrer Arbeit. „Das Leid wollte ich sinnlich erfahrbar machen. Das war mir eine Herzensangelegenheit.“ Im Münchner Westen ist Poss übrigens mit ihren Kunstwerken „Leerer Stuhl“ bekannt, die sie gemeinsam mit der Obermenzingerin Bianca Wilchfort geschaffen hatte.
Nun hat Corona einen Strich durch die Pläne des Vereins gemacht. Statt der Vernissage am 9. November in Erinnerung der Reichsprogromnacht und der 20-tägigen Ausstellung plant der Verein die Ausstellung mit Begleitprogramm im Mai zu zeigen. Außerdem gibt es die Ausstellung mit vielen Dokumenten und den fotografierten Kunstwerken von Poss auf der Webseite des Vereins (www.gedenken-im-wuermtal.de/index/articles/erinnerte-gegenwart.html) digital zu sehen.
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