"Das ist natürlich ziemlich cool!"
Jugend forscht: Fünf preisgekrönte Schüler erklären ihre Arbeiten
Auch in diesem Jahr nahmen wieder etliche Schülerinnen und Schüler des Otto-von-Taube-Gymnasiums an Regionalwettbewerb von Jugend forscht teil und präsentierten an zwei Tagen online ihre Forschungsarbeiten der hochkarätigen Fachjury.
Dabei wurden gleich mehrere Arbeiten mit Preisen geehrt:
In der Kategorie Biologie gewann Julia Geuther den 1. Preis für ihre Arbeit „Genetic invalidation of the SARS-CoV-2-receptor ACE2 in a colon cancer cell line by CRISPR / Cas9 mutagenesis“.
In der Kategorie Arbeitswelt gewann Amelie Daum den 3. Preis für ihre Arbeit „Do personal factors influence students’ opinions on teaching aids?“ und erhielt zusätzlich den Sonderpreis „Bild der Wissenschaft“.
In der Kategorie Mathematik gewann Eric Gulbins den 1. Preis für seine Arbeit „Fourierreihen für Distributionen: Konvergenz durch Gewichtung“.
In der Kategorie Technik gewannen Lena Kahle und Leonardo Beer jeweils den 1. Preis für ihre Arbeiten "Analysis of a Life Support System for a Lunar South Pole Base“ und „Kamerabasierte Volumenbestimmung im Schüttgutumschlag am Beispiel Radlader“.
Zwei Schülerinnen sind im Bundeswettbewerb dabei
Vor Ostern stellten sich die vier Erstplatzierten des Regionalwettbewerbs der Jury des Landeswettbewerbs. Dabei präsentierten insgesamt 95 junge Leute 69 Forschungsprojekte. Die Gautinger hatten auch auf dieser nächsten Stufe großen Erfolg: Leonardo Beer hat in der Kategorie Arbeitswelt den 3. Preis und den Sonderpreis „Fraunhofer Talents“ erhalten. Eric Gulbins hat den 2. Preis in Mathematik erzielt.
Julia Geuther und Lena Kahle wurden sogar mit ersten Preisen ausgezeichnet. Die beiden Gymnasistinnen aus Gauting gehören damit zu den 15 jungen MINT-Talente aus Bayern, die sich für den 56. Bundeswettbewerb von Jugend forscht qualifiziert haben. Das Bundesfinale findet vom 26. bis 30. Mai statt.
Julia Geuthers Biologie-Arbeit wurde von den Teilnehmern in einer Abstimmung zudem zum besten Projekt gewählt. Sie erhielt zusätzlich den Sonderpreis Elite Netzwerk Bayern. Lena Kahle bekam zusätzlich den Sonderpreis des Staatsministers für Unterricht und Kultus für das beste interdisziplinäre Projekt.
Das machten die Schüler
Wir haben die erfolgreichen Gymnasiasten gebeten, ihr Projekt für uns Laien zu beschreiben? Worum geht es dabei? Warum haben die Schüler ihr Thema gewählt? Wo lagen die Schwierigkeiten?
"Dranbleiben und nicht aufgeben!"
Amelie Daum erläutert ihre Arbeit "To beam or not to beam – beeinflussen persönliche Faktoren Vorlesungspräferenzen?":
In meiner Arbeit habe ich daran geforscht, ob persönliche Faktoren wie das Geschlecht oder die Lesbarkeit der Handschrift beeinflussen, ob man lieber Vorlesungen an der Tafel oder mit dem Beamer erhält. Auf die Fragestellung bin ich gekommen, nachdem mir in der Fachliteratur aufgefallen ist, dass sich einige Studien zu dem Thema, ob PowerPoint-Vorlesungen oder Tafelvorlesungen beliebter sind, sehr widersprüchlich sind und zudem die persönliche Komponente bei Studierenden nie abgefragt wurde.
Ich habe mich schon immer für Datenanalyse und Statistik interessiert und habe im Rahmen dieses Jugend-forscht-Projekts mein Knowhow noch einmal deutlich ausgeweitet. Beispielsweise habe ich die Programmiersprache R gelernt, um die Datenanalyse zu vereinfachen, die Auswertung mit ein paar Zeilen Code zu automatisieren und Grafiken ganz nach meinen Vorstellungen zu kreieren.
Allgemein habe ich durch meine Arbeit einiges dazugelernt: Beispielsweise ist Forschung kein geradliniger Prozess; manchmal weiß man gar nicht, ob man gerade gegen eine Wand fährt oder ob man auf dem richtigen Weg ist. Oder man verzweifelt an ein paar Zeilen Code. Aber dann findet man seinen Fehler und es funktioniert plötzlich.
Was ich also gelernt habe: dranbleiben und nicht aufgeben. Wichtig sind auch Pausen (#worklifebalance); oft schaut man dann auch nochmal mit einem ganz anderen Blick drauf.
Den Wettbewerbstag selbst fand ich ein tolles Event – vor allem wegen den inspirierenden Menschen, die ich dort getroffen habe und den interessanten Gesprächen, die ich geführt habe.
"Damit lassen sich schwer lösbare Gleichungen vereinfachen"
Eric Gulbins erläutert seine Mathe-Arbeit „Fourierreihen für Distributionen: Konvergenz durch Gewichtung“:
Mein Projekt ist recht abstrakt und theoretisch, aber ich werde trotzdem versuchen, mein Thema zu beschreiben: In der Physik kommen oftmals Gleichungen vor, die sich mit einfachen Methoden nicht lösen lassen. In vielen Fällen kann man dann aber sogenannte Fourierreihen anwenden, die Lösungen annähern können.
Falls man aber eine mathematische Funktion f finden will, die so eine Gleichung erfüllt, und die Gleichung auch Ableitungen von f enthält (also andere, mit f zusammenhängende Funktionen), funktioniert diese Methode unter Umständen nicht mehr.
Ich habe nun eine Vorgehensweise entwickelt, bei der man die herkömmliche Fourierreihe leicht modifiziert, sodass man diese Ableitungen doch annähern kann. Das ist möglicherweise schwer vorstellbar und der Nutzen ist nicht gleich ersichtlich. Dennoch könnten sich damit solche zuvor schwer lösbare Gleichungen, die beispielsweise in der Mechanik, der Astronomie oder der Quantenmechanik häufig vorkommen, vereinfachen lassen.
Dennoch ist das Thema eher aus Neugier und nicht aus einer Problemstellung heraus entstanden, weshalb die Anwendung bei mir nicht im Fokus stand. Zu Beginn wäre mir ein derartiges Thema kaum in den Sinn gekommen, weil ich die dafür nötigen Vorkenntnisse noch gar nicht hatte. Doch ich hatte schon lange ein großes Interesse für Mathematik, das in der Schule nur teilweise gestillt werden konnte, weshalb ich mich auch zuhause mit solchen eher „trockenen“ Themen beschäftigte und über ein anschauliches YouTube-Video auf Fourierreihen stieß.
Prof. Dr. Daniel Matthes vom Lehrstuhl für Dynamik der TU München, den ich über das TUMKolleg kennengelernt hatte und der mich bei der Erstellung der Forschungsarbeit immens unterstützte, hat mir dann Distributionen vorgestellt, ein weiteres wichtiges Werkzeug für meine Arbeit. In wöchentlichen Videokonferenzen zeigte er mir nach und nach die Kenntnisse, um die höhere Mathematik zu verstehen, und half mir beim Aufstellen meiner Theoreme, indem er beispielsweise auf Fehler in meiner Beweisführung hinwies.
Daraus entstand schließlich dieses endgültige Thema, das nach ausführlicher Recherche von Prof. Matthes und mir bisher weltweit neuartig zu sein scheint. Ich bin sehr froh, dass ich jederzeit auf seine Unterstützung bauen konnte, und wir sind immer noch in Kontakt. Prof. Matthes hat vor kurzem noch eine Verallgemeinerung meiner Theoreme entwickelt, die wir zusammen mit meinen Erkenntnissen in einem mathematischen Journal veröffentlichen wollen.
"Ich verhindere, dass das Virus Schaden anrichten kann"
Julia Geuther hat sich in ihrer Arbeit "Genetic Invalidation of the SARS-CoV-2 receptor ACE2 in a colon cancer cell line by CRISPR / Cas9 mutagenesis" mit Viren und Zellen beschäftigt. Sie beschreibt ihr Projekt:
Als ich in der 10. Klasse ein Buch über Immunsysteme gelesen habe, bin ich zufällig über CRISPR / Cas9 gestolpert – das Immunsystem von Bakterien. Ich war fasziniert, da ich gar nicht wusste, dass Bakterien überhaupt ein Immunsystem brauchen.
So habe ich dann immer mehr dazu recherchiert und herausgefunden, dass CRISPR noch viel mehr kann: Richtig eingesetzt, kann man mit dieser Technik ganz gezielte Veränderungen an der DNA vornehmen. Wie genau diese „Genschere“ ist, zeigt sich an einem Beispiel: Das Erbgut einer menschlichen Zelle besteht aus etwa 3 Milliarden Basenpaaren, mittels CRISPR kann man ein einziges davon ändern. Das ist natürlich ziemlich cool, und so war mir auch klar, dass ich mich in meiner Forschungsarbeit, die im Rahmen des TUM-Kollegs entsteht, damit beschäftigen möchte.
Als es dann um die genaue Eingrenzung des Themas ging, kam das Coronavirus auch in Deutschland so richtig an. Ich habe mir überlegt, ob ich mit meinem Projekt vielleicht auch einen kleinen Beitrag zur Forschung leisten kann und bin so auf den Rezeptor des Virus auf unseren Zellen als Ansatzstelle für die Genmanipulation gekommen.
Die Idee ist einfach: Mittels CRISPR deaktiviere ich die Eintrittsstelle des Virus in die Zelle und verhindere so, dass das Virus dort hineingelangen und Schaden anrichten kann. Dafür schneide ich den Bauplan für die Eintrittspforte durch (also die DNA, die dafür kodiert) und mache ihn so kaputt. Versucht die Zelle dann aus dem kaputten Bauplan eine Eintrittspforte zu bauen, funktioniert das natürlich nicht. Somit gibt es dann auch keine funktionstüchtigen Rezeptoren mehr auf der Zelle und das Virus kann nicht hineingelangen.
Durchgeführt habe ich das Experiment aber natürlich nicht am Menschen, sondern an einzelnen Zellen im Labor. Diese Zellen sind beispielsweise für die Medikamentenentwicklung sehr wichtig: Man kann untersuchen, welche Auswirkungen eine Deaktivierung der Eintrittspforte, also des Rezeptors, noch auf die Zellen hat, denn dieser übernimmt auch andere wichtige Funktionen im Körper (Können sich die Zellen normal vermehren? Gibt es biochemische Aufgaben, die sie nicht mehr übernehmen können? Haben sie eine andere Form? …).
Möglich war dieses Projekt aber nur durch meinen Betreuer, Prof. Dr. Janssen, der mich als Schülerin in seinem Labor am Klinikum Rechts der Isar forschen ließ und mir geduldig die Abläufe im Labor zeigte - denn das war natürlich ganz neu für mich.
Insgesamt hat mir mein Projekt sehr viel Spaß gemacht und die Faszination und Freude gezeigt, die Forschung mit sich bringt. Nach dem Abitur möchte ich gerne Medizin studieren, die Forschung will ich aber auf keinen Fall aufgeben.
"Es hat meine Begeisterung für das Ingenieurwesen bestärkt"
Leonardo Beer erklärt sein Projekt "Kamerabasierte Volumenbestimmung im Schüttgutumschlag am Beispiel Radlader":
Von klein auf durfte ich meinen Vater, der lange eine Baufirma führte, mit zu seinen Baustellen begleiten. Von meinen vielzähligen Baustellenbesuchen stammt auch mein Interesse an Abläufen und auch Fahrzeugen im Bau. Bei der Wahl meines Forschungsthemas für mein W-Seminar war demnach ein Themenbereich aus dem Ingenieurs-, oder Bauwesen naheliegend. Motivation meines Projekts war es, der auch auf Baustellen sichtlichen geringen Digitalisierung des Bausektors entgegenzuwirken.
Hier ein wenig Hintergrundwissen: Radlader werden, beispielsweise auf Baustellen und Steinbrüchen, für den Umschlag, also das Verladen von Schüttgütern eingesetzt. Schüttgüter entsprechen einer Vielzahl von sehr kleinen Stückgütern, die man schütten kann. In meinem Projekt standen Radlader mittlerer Größe und Schüttgüter, die den Baustoffen zuzuordnen sind, z.B. Oberboden, Kies und Sand, im Vordergrund.
Wie die meisten Baufahrzeuge ist auch der Radlader bisher wenig digitalisiert. Das Volumen der vom Radlader bewegten Schüttgüter kann bisher nicht erfasst werden. Dieses Volumen ist von erheblicher Bedeutung, beispielsweise für die Verwaltung von Steinbrüchen: Für die Planungsqualität ist die Verteilung der Schüttgüter auf dem Steinbruch bedeutend. Zudem werden auf Baustellenkipper verladene Schüttgüter in Steinbrüchen, je nach Art, nach Masse oder Volumen abgerechnet.
Daher war das Ziel meines Forschungsprojekts, ein System zu entwickeln, das die Volumenbestimmung der vom Radlader mitgeführten Schüttgüter ermöglicht. Ziele während der Entwicklungsphase waren es, das System möglichst präzise und kostengünstig zu gestalten. Ebenjene Ziele hatte ich zum Abschluss meiner Arbeit durch ein kamerabasiertes System erreicht.
Die größte Herausforderung war dabei die Entwicklung des Programms, für die ich mich ohne Vorkenntnisse in die verwendete Software eingelesen und -gearbeitet habe. Das TUMKolleg hat mir neben meiner Forschungsmöglichkeit auch den Kontakt zum Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik der ermöglicht, der mich in meinem Vorhaben unterstützt hat. Unter anderem konnte ich durch den Kontakt einen Steinbruch besuchen und dort das System am Radlader sowie auf Messgenauigkeit testen.
Das Projekt hat meine Begeisterung für das Ingenieurwesen bestätigt, sogar bestärkt, weshalb ich nach dem bevorstehenden Schulabschluss vorhabe, Maschinenwesen zu studieren.
"Besonders interessant war zu sehen, wie die Systeme aufeinander Einfluss haben"
Lena Kahle beschäftigte sich damit, wie Menschen in einer Mondbasis überleben können. Sie erklärt ihr Projekt "Analysis of a Life Support System for a Lunar South Pole Base":
Bei meinem Projekt geht es darum, ein Lebenserhaltungssystem für eine Mondbasis am lunaren Südpol zu analysieren. Hintergrund ist, dass die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA das Ermöglichen eines permanenten menschlichen Aufenthalts auf dem Mond bereits im Jahr 2028 ermöglichen will und somit Bedarf an Forschung an verschiedensten Aspekten besteht – wie etwa auch für das Lebenserhaltungssystem.
Für ein solches habe ich zuerst verschiedene Auslegungen angestellt, wie etwa für die Größe des Sauerstofftanks und die benötigte Fläche an Solarzellen zur Stromversorgung der Mondbasis. Zudem habe ich Kontrolllogiken entwickelt und Subsysteme geschrieben. Zum Überprüfen der angestellten Berechnungen habe ich die Mondbasis mittels V-HAB, einem in MATLAB geschriebenen Programm des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik, simuliert.
Besonders interessant war hierbei, zu sehen, wie die Subsysteme des Lebenserhaltungssystem aufeinander Einfluss haben. So habe ich getestet, was genau die Auswirkungen der Implementation biologischer Lebenserhaltungssysteme wie etwa Algen sind. Diese produzieren nicht nur Essen, sondern betreiben auch Photosynthese, wodurch sie CO2 der Kabinenluft in Sauerstoff umwandeln. Die verwendeten Algen, Chlorella vulgaris, sind sogar auf der Erde als „Superfood“ beliebt – ich habe sie selbst aber leider noch nicht probieren können.
Mit einem anderen Subsystem, dem Sabatier-Reaktor, wird jedoch das CO2 zur Produktion von Raketentreibstoff verwendet; d.h., je mehr Algen man einbaut, desto mehr Essen und weniger Treibstoff produziert man.
Mir hat es viel Spaß gemacht, beim Lehrstuhl an der Uni zu sein. Ich hatte sogar die Gelegenheit, an einer Studie eines Studenten zur Bedienung eines Industrie-Roboter-Arms teilzunehmen. Auch war es interessant, die Anekdoten aus der Forschung zu hören.
Nach der Schule werde ich voraussichtlich an der TUM Informatik studieren. Aktuell nehme ich an einem Informatik-Schülerstipendium von CHECK24 sowie an verschiedenen Capture-the-Flag-Events (Programmierwettbewerben) teil. Ich überlege, eventuell meinen Master an der International Space University in Straßburg zu machen und in die Raumfahrt zu gehen.
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