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Oh, Mann!

Zwischen Zauberberg und Konditorei: Thomas Mann im Ortsmuseum Tutzing

Auf den Spuren von Thomas Mann am Starnberger See: eine kleine, aber feine Ausstellung. (Bild: Hauck)

„Große Hitze, gerudert, gebadet, Grammophon spielen lassen“, schrieb Thomas Mann am 25. Juli 1920 in sein Tagebuch. Wie so oft in jenen Jahren verbrachte er eine Art Arbeitsurlaub in seinem Refugium „Villino“ in Feldafing. Viele seiner Eindrücke hat er auch in den Romanen verarbeitet. „Die Starnberger Sphäre zieht mich eben doch am meisten“, schrieb er begeistert an einen Freund. Die sehr gelungene Sonderausstellung „Thomas Mann am Starnberger See“ im Ortsmuseum Tutzing macht jene vergangenen Sommertage am See wieder lebendig und gibt private Einblicke in das Leben des berühmten Schriftstellers (1875-1955).

Insgesamt 14 Mal hielt er sich in seinem Ferienhaus auf, das er von 1919-1923 besaß. Meistens kam er alleine heraus. Im Villino schrieb er auch am berühmten „Zauberberg“ und ärgerte sich über Schreibblockaden: „Nicht recht vorangekommen.“ Die Einsamkeit am Schreibtisch, die er als „abenteuerlich“ empfand, wechselte sich ab mit Ausflügen in die Umgebung und einem regen Gesellschaftsleben mit Segelpartien und Tee mit Freunden auf der Terrasse vom Hotel Simson. In den eigenen vier Wänden war die Kost deutlich anspruchsloser: „Aß an meinem weißen Tischlein-deck-dich…Schleimsuppe, Spinat und ein mißlungenes Souflé.

Wegen dem Mürbegebäck in die Konditorei

Am liebsten wanderte er am späten Vormittag am Ufer entlang „auf dem schönen Waldweg“ nach Tutzing und genoss den „herrlich meerartigen“ See, wie er schreibt. Immer wieder schwärmt er von der Schönheit des Weges. In Tutzing machte er Besorgungen. Besonders gut muss ihm wohl das Mürbegebäck der Konditorei Dreher in der Hauptstraße (später Hofmair und Erin) geschmeckt haben, denn dies stand häufig auf seiner Einkaufsliste. Bei schönem Wetter saß er auch gern auf der Dampferbrücke und las das Starnberger Lokalblatt. Ein anderer Lieblingsspaziergang ging hinauf zur Waldschmidt-Schlucht.

„Den Fortgang des Romans bedacht und ein paar Zeilen geschrieben, dann um 11 Uhr nach Tutzing“, heißt es im März 1920. Dort besuchte er Frau von Prittwitz, „eine sympathische Aristokratin“, in „ihrem schönen Haus“ (heute die Benedictus-Realschule). Auf dem Rückweg auf der Landstraße machte er wieder einmal einen Stopp in der Konditorei und aß ein Hörnchen. Ein Paradies für Fußgänger war das aber schon damals nicht: „Viel Autoverkehr in der Tutzinger Hauptstraße“, kommentierte er missbilligend an einer anderen Stelle.

Abends versüßte er sich die Zeit mit dem neuartigen Grammophon, wo er Platten laufen ließ, manchmal kamen Frau und Kinder zu Besuch. Immer wieder zog es ihn an die frische Luft, er segelte und ruderte „ohne Rock und Weste und legte auch die Hosenträger ab“. Dann strich der Wind durch das Hemd über die Haut, „was ein sehr angenehmes Gefühl ist“.

Die fette Pummi muss abspecken

Auch Bruder Heinrich Mann gefiel es gut in Tutzing. In den Jahren 1913 bis 15 befand er sich mehrmals zur Sommerfrische hier. Herrliche Anekdoten gibt es über seine Braut, die tschechische Schauspielerin Mimi Kanová. Die wurde wegen ihrer fülligen Figur „Pummi“ genannt und hielt sich in der Villa Schüssel in der Hallberger Allee 5 (heute umgebaut) zur Schlankheitskur auf. „Mein liebes Pummi, was isst du denn des Abends? Doch nicht 12 Knödel? Sondern zwei ganz kleine Sandwiches, nicht wahr? Und wie ist das Gewicht?“, schreibt er ihr. Und ermahnt sie: „Wenn ich zurückkomme, darf kein Pummi mehr da sein, nur noch ein Schwan.“

Aus der Sammlung Gernot Abendts

Solche lebendigen Erinnerungen, viele historische Fotos, Erstausgaben und der original nachgebaute Schreibtisch machen den Besuch zum Vergnügen. Die schönsten Stücke der Sammlung stammen aus der Sammlung von Gernot Abendt, einem der Gründungsväter des Ortsmuseums. Er ist ein großer Bewunderer des Schriftstellers, seit er als Jugendlicher lange Wochen in einer Lungenheilanstalt verbringen musste. Während er sich erholte, las er Manns „Zauberberg“, der ja von einem Sanatoriumsaufenthalt handelt, und erkannte vieles aus seiner Umgebung wieder. Aus dieser ersten Begegnung mit dem Werk Manns erwuchs ein lebenslanges Interesse, das ihn zu der Sammlung und jetzt zu der Sonderausstellung inspirierte. Sie ist bis 25. August zu sehen und mittwochs, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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