Man ist so alt wie man sich fühlt
Ein Interview mit Helmut Kilian, dem Leiter des Starnberger Seniorentreffs
Helmut Kilian leitet seit etlichen Jahren den Seniorentreff Starnberg, der zusammen mit anderen sozialen Einrichtungen und Stiftungen im Ilse-Kubaschewski-Haus untergebracht ist. Der Seniorentreff ist eine offene Einrichtung, die vom Caritasverbandes und der Stadt Starnberg gemeinschaftlich betrieben wird und als Anlaufstelle für ältere Semester dient.
Neben einem gemütlichen Café, in dem von Montag bis Donnerstag auf Wunsch auch ein Mittagessen serviert wird, bietet der Seniorentreff ein reichhaltiges Veranstaltungsprogramm, das Senioren jeden Alters die Möglichkeit bietet, sich auszutauschen, gemeinsamen Interessen zu frönen aber auch sich aktiv sozial zu engagieren. Davon machen seine "Unruheständler", wie Helmut Kilian sie nennt, regen Gebrauch. Anders nämlich als viele Generationen vorher, gedenken die "neuen Alten" mit dem Eintritt in den Ruhestand keineswegs, den geordneten Rückzug aus der Mitte der Gesellschaft anzutreten und den Rest ihres Lebens im Schaukelstuhl zu verbringen. Viele von ihnen möchten die neu gewonnene Freiheit nutzen, um noch einmal Neues zu beginnen oder aus Zeitmangel vernachlässigte Hobbys und Leidenschaften wiederzubeleben. Was sie dafür brauchen, ist oft nur das geeignete Forum. "Forum" lautet des nicht zufällig auch auch der Titel des Programmhefts das der Seniorentreff dreimal im Jahr herausgibt und sowohl als Printversion als auch online zu lesen ist. Und so betrachtet sich auch der gelernte Theologe Helmut Kilian in seiner Funktion als Leiter der Einrichtung keineswegs als Animateur oder gar als Kindermädchen seiner Besucher. Vielmehr sieht er seine Aufgabe darin, Menschen zusammenzubringen, die sich in einer besonderen und zum Teil noch ungewohnten Lebensphase befinden, nämlich in der des Ruheständlers. In seiner Vermittlerrolle berät und unterstützt er sie außerdem dabei, ihr Leben neu zu strukturieren, Ideen zu entwickeln und umzusetzen besonders, wenn sie den Wunsch hegen, sich weiterhin aktiv am gesellschaftlichen Prozess zu beteiligen. Demgegenüber rückt seine dritte Aufgabe, nämlich die allgemeine Beratung der Senioren, Fragen zur seniorengerechten Anpassung des Wohnumfelds oder die Vermittlung von Hilfsdiensten fast schon in den Hintergrund.
Ab welchem Alter darf man zum Seniorentreff kommen?
Das ist die Frage, die ich am häufigsten zu hören bekomme. Wir sind eine in jeder Hinsicht offene Einrichtung und lassen uns daher von unseren Besuchern auch ganz bestimmt nicht die Geburtsurkunde zeigen. Im Wesentlichen verstehen wir uns aber als Anlaufstelle für Menschen, die nach dem Berufsleben weiter aktiv bleiben oder wieder werden möchten. Wann und in welchem Umfang man dies tun möchte, kann jeder selbst bestimmen. Insofern gibt es zwischen einem Seniorentreff und einem Jugendtreff kaum einen Unterschied. Auch da suchen und finden sich Menschen gleichen Alters um gemeinsam etwas zu erleben, zu bewegen oder einfach nur "abzuhängen". Solange die Gesundheit mitspielt, ist jeder eben wirklich nur so alt, wie er sich fühlt.
Was ist das Besondere am Seniorentreff?
Der Seniorentreff fördert gemeinsame Unternehmungen und Interessen. Dafür entwickeln wir gemeinsam mit den Senioren ein breitgefächertes Veranstaltungsprogramm, das zwar keineswegs nur Ältere anspricht, aber trotzdem auf deren besonderen Bedürfnisse Rücksicht nimmt. So gibt es etwa mehrere Wandergruppen, die sich je nach Vorliebe und körperlicher Fitness “Die Flachwanderer" oder "Die Gipfelstürmer" nennen. Ähnliche Angebote kann man auch im Alpenverein finden, trotzdem würden sich viele Senioren dort am latenten Leistungsanspruch, ich sage "am Stallgeruch", stören. Das Angebot im Seniorentreff umfasst alle Arten von Interessen. Neben den sportlichen Aktivitäten, gibt es Sprachkurse, Vorträge, Reisen, Konzert- und Ausstellungsbesuche, Computerkurse sowie Literatur- und Singkreise. Auch Kartenspieler, Modellbahnfans und Motorradfreaks treffen auf Gleichgesinnte. Nicht wir bestimmen das Programm. Alle Angebote basieren auf Anregungen unserer Besucher und werden von und für Senioren durchgeführt. Viele unserer Ruheständler möchte ihre Zeit und ihren Erfahrungsschatz aber nicht nur im Kreise ihrer Altersgenossen weitergeben, sondern sich auch ehrenamtlich engagieren. Auch dabei unterstützen wir sie.
Wie sieht das bürgerschaftliche Engagement der Senioren im Treff aus?
Ein Arzt, ein Lehrer, ein Angestellter in einflussreicher Position hört ja nicht schlagartig mit Eintritt in den Ruhestand auf ein organisierter, denkender Mensch zu sein. Im Gegenteitl. Viele möchten ihre Erfahrung, ihre Weisheit oder auch nur ihre neu gewonnene Zeit nutzen, um anderen zu helfen. Für unsere Gesellschaft ist das ein großs Glück, denn besonders im sozialen Bereich können sehr viele Dinge nur mithilfe ehrenamtlicher Helfer geleistet werden. Die Jungen, die noch im Arbeitsprozess stehen und mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie voll ausgelastet sind, haben für zusätzliche Belastungen immer weniger Zeit. Darum habe wir, die aktiven Senioren und das Team vom Seniorentreff, zusammen mit anderen Einrichtungen Ideen entwickelt, wie und wo bürgerschaftliches Engagement älterer, erfahrener Menschen sinnvoll eingesetzt werden kann. Inzwischen sind unsere Senioren in fast allen Helferkreisen präsent. Sie engagieren sich im Asylheferkreis unterstützen im Rahmen der Initiative "Zeit für Schüler" Grundschulkinder bei den Hausaufgaben, beim Lesen und sogar am Computer oder als Unterrichtsassistenz. Auch unser neues Patenschaftsmodell ist ein ideales Betätigungsfeld für geistig fitte "Unruheständler", zumal auf diese Weise eine neue Art der Vorsorge geschaffen wird, die ihnen später vielleicht selbst einmal zugutekommt.
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