In jeder Klasse ein bis zwei Schüler betroffen
Seit 1992 gibt es das „Netzwerk gegen soziale Gewalt“
„Herunter gebrochen auf Deutschland sitzen in jeder deutschen Schulkasse im Schnitt ein bis zwei Kinder oder Jugendliche, die von sexueller Gewalt betroffen sind“, zitiert Kerstin Hemma vom „Netz gegen sexuelle Gewalt“ eine Studie der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2016. Auch im Landkreis Weilheim-Schongau gibt es Fälle.
Aus diesem Grund gründeten schon 1992 der ehemalige Leiter des Jugendamtes Weilheim, Udo ter Haseborg und die Diplom Sozialpädagogin Gitta Christ mit anderen den Verein „Das Netz gegen sexuelle Gewalt“ unter Gitta Christ als Vorsitzender. Zunächst ging es um Information und Netzwerkarbeit, die vor allem auch präventiv wirken sollte.
Bis zum Mai des Jahres 2015 wurde der Verein, der heute knapp fünfzig Mitglieder zählt, rein ehrenamtlich geführt. „Auf die Dauer aber war dies nicht mehr machbar“, erklärt Kirsten Hemma. Immer häufiger wurden Beratungen angefragt, von immer mehr Einrichtungen. So wandte man sich schließlich an zwei Trägerorganisationen, die „Aktion Mensch“, und die Stiftung „Childhood“. Und tatsächlich wurden von dort Fördergelder als Gründungshilfe bewilligt. Somit konnten drei Kräfte in Teil- beziehungsweise Halbzeit eingestellt werden: die Sozialarbeiterin und systemische Beraterin Kirsten Hemme als Leiterin und Beraterin, die Betriebswirtin Claudia Cebulla für die Verwaltung und die Sozialarbeiterin Rimma Weiß als Beraterin. Seit Mai 2015 gibt es nun die Beratungsstelle in Weilheim.
Der Bedarf ist da
Heute führt die Medizinerin Dr. Rautgunde Lammerer zusammen mit Ulrike Leimig den Vorsitz im Verein. Leimig ist die Gleichstellungsbeauftragte für den immer noch oben an. Zur Prävention gehören unter anderem die Information und die Fortbildung anhand von Präventionsworkshops, Train-the-Trainer-Kurse und Elternabende. Beraten werden Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowie nicht missbrauchende Eltern und Bezugspersonen.
Und der Bedarf ist da. Allein von 2015 bis 2017 gab es 51 Fälle, dazu kommt noch eine Dunkelziffer, die vermutlich ein Vielfaches dieser Zahl beträgt. Zusätzlich gab es 38 Beratungen von Eltern, 34 Beratungen von Fachkräften und 14 Beratungen von Kooperationspartnern. Kooperationspartner sind meldende Institutionen oder Personen, wie etwa Ärzte, Lehrer oder Schulen. Und da es in den Landkreisen Starnberg und Garmisch-Partenkirchen, anders als in den Landkreisen Landsberg und Ostallgäu, mit denen auch Networking betrieben wird, kein Netzwerk gegen sexuelle Gewalt gibt, ist die Weilheimer Beratungsstelle auch dort aktiv. So kommen 55 Prozent der genannten Fälle aus dem Landkreis Weilheim-Schongau, 14 Prozent aus dem Landkreis Starnberg und sechs Prozent aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen. „Die restlichen 25 Prozent sind anonym, das heißt, wir wissen nicht, woher sie kommen“, erläutert Kerstin Hemme die Aufzählung. Und das ist ganz bewusst so, den eine anonyme Beratung soll möglich sein. 67 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen sind weiblich, 33 Prozent männlich.
Hier gibt es Beratung
Seine Räume hat das Netz im Pfarrheim „Miteinander“ in der Theatergasse gefunden. Dort finden auch, im Raum „Clausura“ die Beratungen statt. „Wir sind froh, dass uns die Kirche quasi ‚Asyl‘ gewährt hat und uns die Räume zur Verfügung stellt, schließlich hat der Verein selbst ja keine eigenen Räume“, sagt Hemme. Schließlich müsse man stramm kalkulieren, denn die Förderungen sind auf vier Jahre limitiert. „Bis April 2019 müssen wir also sozusagen laufen können. Das sind die uns zugestandenen vier Aufbaujahre.“ Ob es weitere Förderungen oder gar, wie erhofft, dauerhafte Förderungen gibt, steht in den Sternen, ist aber natürlich ein sehnlicher Wunsch des Teams. Schließlich geht es darum, einen nachhaltigen Dienst in der Region aufzubauen und zu verankern. „Gerade im ländlichen Bereich gibt es viel zu wenig Hilfe für Betroffene“, weiß Kerstin Hemme.
Geöffnet hat das „Netz gegen sexuelle Gewalt“ seine Räume am Dienstag und Mittwoch von 14 bis 16.30 Uhr und am Donnerstag von 14 bis 18 Uhr, telefonisch erreichbar ist Claudia Cebulla am Dienstag und Mittwoch zu den Öffnungszeiten unter der Rufnummer am Dienstag und Mittwoch von 14 bis 16.30 Uhr und am Donnerstag von 14 bis 18 Uhr. Die Flyer des Netzes liegen unter anderem beim Jugendamt, Polizei, Frauenhaus Murnau aus. Wer spenden will, kann seinen Betrag auf das Konto mit der IBAN DE 38 7035 1030 0000 985 952 tun. Mehr Informationen über das „Netz gegen sexuelle Gewalt“ gibt es auch auf der Homepage www.beratungsstelle-netz.de.
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