"Es darf die Besucher stören"
Pinguin-Kunst im Heimatmuseum soll zum Nachdenken anregen
Die Pinguine tummeln sich im Museum Starnberger See: als aus Dämmplatten ausgesägte Skulpturen bevölkern sie den historischen Einbaum und kapern das alte Prunkschiff der Wittelsbacher. Und von oben beobachten weitere gezeichnete Artgenossen das muntere Treiben. Manche sehen frohgemut drein, andere fragend oder ein bisschen traurig, jeder hat einen anderen Gesichtsausdruck. Was haben die Pinguine mit der Dauerausstellung gemeinsam, wird sich der eine oder andere Besucher fragen. Auf den ersten Blick: Nichts. Und das ist pure Absicht. „Der Irritationsmoment ist gewollt“, erklärt Museumsleiter Benjamin Tillig bei einem Pressegespräch, bei dem auch Künstler Sebastian Jung und Kuratorin Sophia Pietryga anwesend sind. „Da passen zwei Sachen nicht zusammen.“ Die Besucher erwarteten ja eigentlich keine zeitgenössische Kunst bei dem gewohnten Blick auf die Heimatgeschichte und würden mit etwas Überraschendem konfrontiert. Über den „Störeffekt“, der dann entsteht, kann sich Tillig richtig freuen. Er soll die Betrachter zum Nachdenken anregen und das ökologische Bewusstsein schärfen.
Symbole
Es steckt mehr dahinter, als man am Anfang glaubt. Die Pinguine, sie sind Symbole für den Klimawandel. „Bei uns hier am Starnberger See ist scheinbar alles in Ordnung, wir haben eine intakte Natur, und wir können in einem sauberen See baden“, so Tillig. „Das heißt aber nicht, dass wir nicht von den globalen Klimaveränderungen betroffen sind.“ Es gehe um den Bewusstseinswandel. Wer mehr darüber nachlesen will, kann sich an der Museumskasse einen „Reader“ mit erklärenden kurzen Texten mitnehmen oder sich auf der Homepage „BioBioSUV“ schlau machen. „Ich arbeite gern mit Tieren, weil sie Projektionsflächen sind“, erläuterte Künstler Sebastian Jung aus Jena sein Konzept, mit dem er sich mit Kultur und Natur, Zivilisation und Ökologie auseinandersetzt. Tiere böten dem Betrachter einen emotionalen Zugang und ermöglichten so den Einstieg in komplexere Themen. Der 34-Jährige hat seine an Karikaturen erinnernden Pinguine im Zoo skizziert – auf seinem Handy. So pragmatisch verfährt er immer, wenn er gerade kein Papier zur Hand hat. Was mit den Pinguinen zurzeit im Museum stattfindet, ist eine dreiwöchige „künstlerische Intervention“ – die Vögel als Protagonisten „überlagern“ sozusagen die Dauerausstellung, erläuterte Benjamin Tillig.
Rettet die Pinguine
Zeitgleich findet im Starnberger Stadtraum die Plakataktion „Rettet unsere Pinguine“ statt. Beides ist Teil des staatlich geförderten Projekts „Bio Bio SUV“ innerhalb des Wissenschaftsjahres und der Auftakt zu einer Einzelausstellung von Sebastian Jung ab Februar 2022 im Museum Starnberger See. Benjamin Tillig ist begeistert von der zeichnerischen Qualität des Künstlers: „Unglaublich dicht und präzise trotz der scheinbaren Beiläufigkeit.“ Aufmerksam geworden sei er auf Sebastian Jung durch dessen im NS-Dokumentationszentrum ausgestellte Zeichnungen. Er habe mit ihm daraufhin Kontakt aufgenommen. Mit zeitgenössischen Diskursen will Tillig die Starnberger Einrichtung vor einer musealen Erstarrung bewahren. Sie sind Teil des neuen Museumskonzepts. „Ein Museum hat zwei Aufgaben, das Vergangene zu bewahren und neue aktuelle Impulse zu setzen“, unterstrich Tillig.
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