Ein unmoralisches Angebot
Tutzinger Gymnasiasten feiern einen großen Theaterabend

Alfred Dill (Fabian Schoening) will fliehen, aber die Bürger lassen ihn nicht gehen. (Bild: Susanne Hauck)
„Willkommen Claire Zachanassian“ heißt es auf dem Plakat in der Aula des Tutzinger Gymnasiums, die sich für das Stück „Der Besuch der alten Dame“ in eine Bühne verwandelt hat. Wieder einmal ist der Theatergruppe eine hervorragende Aufführung gelungen: Viele Jahre sind vergangen, seitdem die jetzige Milliardärin Claire einst die Stadt in Schimpf und Schande verlassen hat. Lisa Schnell spielt die herrische Grande Dame, die andere nach Lust und Laune mit ihrem silbernen Spazierstock herumkommandiert, sehr überzeugend. Sie ist gekommen, um sich an ihrem Jugendfreund zu rächen.
Denn er hat sie damals mit einem Kind sitzen gelassen. Während der Lockruf des von ihr ausgesetzten Kopfgelds in Höhe von einer Milliarde Mark die Bürger skrupellos macht, fühlt sich ihr ehemaliger Geliebter zunehmend bedroht – Alfred Ills (Fabian Schoening) Angst und Verzweiflung geht unter die Haut. In einer grandiosen Schlussszene kesseln ihn die Bürger ein, und als sie wieder auseinandergehen, liegt seine mit einem schwarzen Tuch bedeckte Leiche da. Und so schnell kann man gar nicht schauen, dass sich die Dorfbewohner um den großen Geldkoffer reißen und zum Slogan „Money makes the world go round“ mit den Scheinen nur so um sich werfen. Die Moral von der Geschicht‘: Für Geld kann man halt alles kaufen.
26 Rollen
Die Schüler haben sich das Stück selber ausgesucht, denn hier können möglichst viele mitspielen – es hat insgesamt 26 Rollen. Die meisten waren in Doppelbesetzung. Alternativ wurden die beiden Hauptrollen von Anja Kuhn und Mattis Hönnicke gespielt. Ein geschickter Theaterkniff war es, den Dürrenmatt-Klassiker ein wenig zu entstauben und verdaulicher zu machen. Für Abwechslung war gesorgt: die 6a durfte das Begrüßungsständchen singen, als Running Gag tobte immer wieder das grell geschminkte „Eunuchen“-Zwillingsgespann Kobi und Tobi (Benjamin Beger und Maxi Ruppert) über die Bühne und viele Lacher gab es, weil das Lieblingsbier vom Lehrer (Phillip Essiger) vom P-Seminar Brauen stammt. Auch sonst überall nur Daumen hoch: Fürs Bühnenbild wurde eigens eine riesige historische Kutsche besorgt, die Technik zauberte mit Eisenbahngeratter und Glockengeläut authentische Atmosphäre, die Requisite beschaffte Nerzjäckchen und Frack, die Maske verwandelte die jungen Gesichter gekonnt auf alt.
Abschied von Margit Kleber
Die Theateraufführungen haben große Tradition am Tutzinger Gymnasium. Seit 20 Jahren studiert Margit Kleber die Stücke mit den Schülern ein. Die Lehrerin fieberte die ganze Zeit mit, ob es keine Texthänger gibt, ob das Licht zur rechten Zeit angeht. Der viele Applaus zum Schluss galt auch ihr. Denn es war die letzte Inszenierung für Margit Kleber, die Ende des Jahres in den Ruhestand geht. Bescheiden bedankte sie sich dafür, dass sie die Schüler so lange begleiten durfte „und für all das Gute, was mir hier widerfahren ist“. Bruno Habersetzer holte da in seiner Eloge schon etwas weiter aus. So viele Schüler habe sie beflügelt und begeistert, die Schule habe ihr unendlich viel zu verdanken, schrieb der frühere langjährige Direktor im Programmheft. Mit ihrer Energie und Geduld, ihrem Sachverstand und ihrer Nervenstärke habe sie es verstanden, den Schülern den Weg zu weisen, und ihnen dabei den nötigen kreativen Freiraum zu lassen. Es ist schön, dass sich Margit Kleber nach den Einschränkungen durch Corona mit diesem tollen Theaterabend von der Schulfamilie verabschieden konnte.
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