Drahtseilakt mit wenig Geld
Bürgerversammlung: Starnberg hat zu lange von der Substanz gelebt
Am Anfang war dem Bürgermeister noch zum Scherzen zumute. „Zwei Stunden vormittags auf Zahnarztstuhl sind kein Grund die Bürgerversammlung zu schwänzen“, meinte Patrick Janik (UWG) vor rund 120 Teilnehmern, die in die Brunnanger-Turnhalle gekommen waren. Denn es gab tatsächlich „ein bissl was zu besprechen“, wie er sagte. Der Bürgermeister hatte keine guten Nachrichten dabei. „Unser Haushalt ist in einer extremen Situation“, so Janik. „Starnberg, wir müssen reden.“
Statt des gewohnt sachlichen Rechenschaftsberichts mit der Aufzählungen aller Art äußerte sich der seit zweieinhalb Jahren amtierende Rathauschef vor allem zur finanziellen Situation, die alles andere als rosig ist. „Wir gönnen uns zu viel.“ Die Stadt habe lange das Glück gehabt, aus dem Vollen schöpfen zu können, in Spitzenjahren wie 2018 gab es Gewerbesteuereinnahmen in der Rekordhöhe von 22 Millionen Euro. Doch trotzdem lebte die Kommune ihre Verhältnisse und musste sogar die Rücklagen angreifen, die von einst stattlichen 24 Millionen früherer Jahre auf rund zwei Millionen Euro gesunken ist.
"Gönnen uns zuviel"
„Wir haben richtig, richtig, richtig viel Geld ausgegeben“, sagte Janik. Das Seebad etwa sei „wunderschön“, aber nicht unbedingt das Wichtigste gewesen. Der Bürgermeister kündigte an, dass sich die Stadt wegen der Ebbe in der Kasse nur noch auf die Pflichtaufgaben konzentrieren könne.
Ausdrücklich nahm Janik seine Amtsvorgänger der letzten 15 Jahre in Schutz. „Jeder hat getan, was er konnte, und was er für richtig hielt.“ Die Leviten las er aber dem Stadtrat der vergangenen Jahre, sich selbst wollte er davon nicht ausnehmen: Ein Antrag sei allzu leicht geschrieben, zu oft werde rein politisch gedacht.
Die kommenden Jahre werden sehr schwer für die Kommune werden. Es stehen verschiedene dringende und unerledigte Projekte in Millionenhöhe an: eine neue Grundschule, ein neuer Kindergarten, ein Feuerwehrhaus für Perchting und Wangen, ganz zu schweigen von der Sanierung und Instandhaltung der desolaten Straßen und Liegenschaften. „Wir haben Aufgaben vor der Brust, die uns die Luft abschnüren“, so Janik.
Einigung mit Bahn in Sicht
Trotzdem hatte der Bürgermeister auch gute News in petto. Am Wichtigsten vielleicht, dass die Einigung mit der Deutschen Bahn in punkto Seeanbindung in Aussicht steht, auch wenn die laufenden Verhandlungen noch inhaltliche Verschwiegenheit erfordern. Wirtschaftlich sei man sich fast einig, es gehe jetzt noch um die Vertragsgestaltung. Spätestens im Frühjahr, vielleicht schon Ende des Jahres sollen Ergebnisse präsentiert werden. Einen erfreulichen Verlauf nimmt auch die Entwicklung des neuen Stadtquartiers „Moosaik“ im alten Gewerbegebiet. „Das tut uns gut“, meinte Janik. „Ein frisch gestrichenes Eingangsportal kann Starnberg gut brauchen.“ Zum Gewerbegebiet Schorn: Das wird vermutlich eine andere Gestalt bekommen als bisher geplant. Zum umstrittenen Projekt See and the City: Dazu gibt es eine öffentliche Bürgerbeteiligungsrunde am 18. Oktober. Zur Schlossberghalle: Wegen Lieferproblemen von Material wird das Ende der Sanierungsarbeiten erst für Ende des Jahres erwartet, die Perchalla musste vertröstet werden.
In Zukunft will Janik die Starnberger Bürger öfter als bisher zur Aussprache einladen. Die nächste Bürgerversammlung soll im März nächsten Jahres stattfinden.
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