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Rubrik: Gesamt · Ort: fuenfseenland
Besondere Familiengeschichten
Nachkommen jüdischer DPs besuchen Feldafing
Es war ein ergreifende Begegnung für alle Seiten: 20 Nachkommen von jüdischen Holocaust-Überlebenden besuchten auf den Spuren ihrer Eltern Feldafing, wo sich einst das Camp für Displaced Persons (DPs) befand. Es war die erste Zufluchtsstätte für die nach dem Grauen der Konzentrationslager und der Todesmärsche völlig entkräfteten und dem Tode nahen Menschen, viele von ihnen waren in Tutzing und Seeshaupt aus den Häftingszügen gerettet worden. „Das Camp war ein Platz des Übergangs und die Hoffnung auf ein neues Leben“, sagte Bürgermeister Bernhard Sontheim beim Empfang im Rathaus. „Es ist ein wichtiges und unvergessenes Kapitel unserer Ortsgeschichte.“ Rund 6000 Menschen lebten im DP-Camp Feldafing, unter anfangs sehr improvisierten Bedingungen und Lebensmittelknappheit. Durch das Engagement der US Armee, verschiedener Hilfsorganisationen und der Eigenverwaltung verbesserte sich die Situation erheblich. Zwischen „Hölle und Normalität“ starteten die Überlebenden ein neues Leben, sie heirateten und bekamen Kinder. Viele Kinder. „700 wurden zwischen 1945 und der Schließung des Camps 1952 geboren“, berichtete Sontheim. Für fünf Männer aus der israelisch-amerikanischen Reisegruppe war es eine besonders emotionale Rückkehr nach Feldafing: sie kamen hier zur Welt, im zum Krankenhaus umfunktionierten Hotel Kaiserin Elisabeth. Einige wenige DPs ließen sich dauerhaft in Feldafing nieder, die meisten emigrierten nach Israel oder die USA.
DP-Camp
Die Gäste ließen sich durch das ehemalige DP-Camps auf dem Gelände der Bundeswehr führen, wo die Holocaust-Überlebenden in den frei gewordenen Sturmblockhäusern der NS-Reichsschule, den Baracken des Hitlerjugend-Sommerlagers und beschlagnahmten Privatgebäuden Unterkunft fanden, manchmal für Monate, oft für Jahre. Feldafing war das erste jüdische DP-Lager in der US-Zone Deutschlands, das in weitgehender Selbstverwaltung von einem lokalen Rat geleitet wurde. Es gab unter anderem einen Kindergarten, eine Volks- und Berufsfachschule, Werkstätten, eine Synagoge und Mikwe, eine Lagerpolizei sowie ein Lagergericht, ein Krankenhaus, eine Lagerzeitung und eigene Banknoten, den Feldafinger Dollar. Ein Besuch auf dem jüdischen Friedhof, der damals angelegt wurde, durfte für die Reiseteilnehmer nicht fehlen. 112 Männer und Frauen wurden hier in der Zeit zwischen 1945 und 1949 beeerdigt.
Apfelbaum zum Gedenken
Dass der Kontakt überhaupt zustande kam, ist der Initiative von Künstlerin Claudia Sack sowie Professor Marita Krauss und Erich Kasberger zu verdanken. Das Historiker-Ehepaar aus Pöcking ist von der Gemeinde beauftragt, die Feldafinger Geschichte im Dritten Reich wissenschaftlich aufzuarbeiten. Eigentlich sollte die Reise nach Feldafing schon vor zwei Jahren zum 75-jährigen Kriegsende stattfinden, nun konnte sie endlich nachgeholt werden. Gegenüber dem Rathaus steht ein kleines frischgepflanztes Apfelbäumchen, zu dem Sontheim führte und erklärte, was es damit auf sich hat. Es handelt sich um den sogenannten Korbiniansapfel, der auf den NS-Gegner Korbinian Aigner zurückgeht. Der Pfarrer züchtete im KZ Dachau heimlich Äpfel. Zum Gedenken an den Todesmarsch 1945 haben auch die Gemeinden Bernried und Seeshaupt Korbiniansapfelbäume gepflanzt.
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