Schätze zum Staunen
Museum zeigt kuriose Originale aus seiner Gründerzeit
Corona-Krise und mögliche zeitweise Museumsschließung hin oder her: „Schätze schauen“ heißt die Ausstellung, mit der Leiter Benjamin Tillig einen Neuanfang im Museum Starnberger See macht. In den Mittelpunkt rückt sie besondere und manchmal auch kuriose Dinge aus den Tiefen des Depots, von denen viele bisher noch nie öffentlich gezeigt wurden.
Benjamin Tillig steht vor einem fragilen runden Ballon, von dem kaum ein Besucher auf Anhieb weiß, dass es sich um einen Biedermeier-Globus zum Aufblasen handelt. „Wer sich keinen echten Globus leisten konnte, kaufte sich damals so eine kleine Schatulle“, erklärt der Museumsleiter zu dem Patent aus dem Jahr 1830. „Mit speziellen Schwenkbewegungen konnte man die ganz dünne Papierhülle mit Luft füllen und sich für zwei Stunden die große Welt in den Salon holen, ehe der Globus wieder in sich zusammenfiel.“
Noch nie gezeigte Raritäten
Viele weitere Exponate lassen staunen: die altertümlichen Bootsbauerstiefel, die Modepuppe im Biedermeiergewand, das Nebelhorn eines Salondampfers, eine hölzerne Plattenkamera, ein glänzender Herrenzylinder mit Hutschachtel. Und was wohl die weiße undefinierbare Masse in einer Art Einweckglas sein mag, fragt man sich mit leichtem Schaudern. Doch das ist nichts zum Gruseln. Das seien Semmeln, wie sie die Soldaten im Ersten Weltkrieg als verpackte Marschverpflegung erhalten haben, erklärt Tillig. Wie sie seinerzeit in die Sammlung gekommen sind, weiß niemand.
Angesichts dieser Wissenslücke müsste man „als Museumsleiter eigentlich rot werden“, scherzt er. Doch habe sich gerade der vermeintliche Mangel als reizvoll erwiesen, herauszufinden, was hinter den Dingen steckt. Schließlich bringt jedes Objekt seine eigene Geschichte mit, zum Entdecken, Forschen und Erzählen. „So wollen wir für die Besucher aufarbeiten, was ein Museum eigentlich für Aufgaben hat.“ Das Sammeln liege in der menschlichen Natur: Vom Vorräte bewahren der Frühzeit über antike Tempelschätze und den exotischen Wunderkammern der Renaissance entwickelten sich moderne Museen "als öffentliche Orte des Sammelns, Schauens und sich Versammelns", so die Erläuterung.
Neues Konzept
Auch sonst will Tillig zusammen mit seinen beiden wissenschaftlichen Mitarbeitern Daniel Kufler und Fabian Müller neue Wege beschreiten. Drei jährliche Ausstellungen wird es künftig geben, zwischen zwei Haupt-Veranstaltungen ist eine kleinere eingebettet. „Fall STA-06009. Das Mädchen aus Gips“ (ab 28. Mai) ist eine fast detektivische Recherche in der Kulturgeschichte der Region. Auf „Schätze schauen“ (bis 30. August) folgt am 1. Oktober die Winterausstellung „Scheinwerfer. Menschheit unterm Sternenhimmel“. Die Ausstellungen sollen in Zukunft deutlich länger laufen als drei Monate, um vor allem Schulklassen genügend Zeit für einen Besuch zu geben. Tillig legt besonderen Wert auf mehr Interaktion mit den Besuchern und will auch das Außengelände mehr in das Konzept miteinbeziehen und künstlerisch bespielen.
Exkursion ins Depot
Während wegen des Corona-Virus das kulturelle Rahmenprogramm bis 19. April abgesagt ist, sollen die Führungen weiter angeboten werden. Ein besonderes Schmankerl dabei sind zwei Exkursionen ins Museumsdepot nach Söcking (am 16. April und 11. Juni), für die allerdings eine Anmeldung notwendig ist.
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