Ein Schloss und seine Geheimnisse
Neues Buch offenbart Erstaunliches über Possenhofen
Gut möglich, dass das im 16. Jahrhundert erbaute Schloss Possenhofen noch heute Geheimnisse birgt, die keiner kennt. Doch einige haben Dr. Gertrud Rank und Rosemarie Mann-Stein aufgedeckt. In ihrem Buch „Possenhofen – Die Geschichte eines Pöckinger Kleinods“ führen die Kunsthistorikerin und die Leiterin des Kaiserin Elisabeth Museums neue Erkenntnisse über die Bauforschung, die Kunstgeschichte und die Historie des Adelssitzes und seiner Umgebung zusammen.
Unter Farbschichten verborgen
So unterstreicht Rank die Bedeutung des Kalvarienbergs, der neben dem in Lenggries zu den ältesten in Bayern zählt. Entgegen der weitverbreiteten Annahme wurde die auf 1648 datierte Anlage nicht etwa zum Gedenken an das Ende des 30-jährigen Kriegs oder an die überstandene Pest errichtet, sondern wohl als eine Art symbolisches Bollwerk gegen den sich ausbreitenden protestantischen Glauben. „Mit dem Kalvarienberg wollte die sehr fromme Schlossbesitzerfamilie Hörwarth zeigen, dass sie ganz eng an der Seite der katholischen Kirche steht“, glaubt Rank. Die Kunsthistorikerin hat sich auch eingehend mit dem Altargemälde in der Fischerkapelle beschäftigt, das die Muttergottes mit dem Jesuskind zeigt. Die Indizien sprächen dafür, dass das Original tatsächlich von dem berühmten flämischen Maler Peter Candid aus der Barockzeit stammt. Zurzeit wird das Gemälde im Stuttgarter Kunstministerium wissenschaftlich untersucht. Röntgenaufnahmen haben den Beweis erbracht, dass sich unter der Übermalung aus dem 19. Jahrhundert tatsächlich ein Werk älteren Datums verbirgt, nachdem schon früher die Inschrift „Peter Candito: pinx anno 1578“ (Von Peter Candid im Jahr 1578 gemalt“ auf der gedoppelten Leinwand einen Hinweis gegeben hatte.
Ein großes Kapitel widmet sich den berühmtesten Besitzern, Herzog Max und seiner Familie, die Schloss und Park in großem Stil umbauen ließen – aber von einem anderen Architekten als bisher angenommen. Dass die wild drauflos phantasierenden Drehbuchschreiber der „Sissi-Filme“ das Bild von Kaiserin Elisabeths unbekümmerter Jugendzeit in Possenhofen verklärt haben, kritisiert das Buch stark. Eine Film-Traumwelt, die mit dem wirklichen Leben kaum etwas zu tun hatte, auch wenn für die naturverbundene Elisabeth, ihre Geschwister und vor allem für Mutter Ludovika Schloss und Park immer „ein Ort für die Seele“ gewesen seien.
Mopeds und Schnapskirschen
Im Dritten Reich diente der mittlerweile verkaufte Adelssitz als Ferienheim für Kinder, im Krieg als Sanitätsschule mit Lazarettbaracken auf der Wiese. Auch die Zeit nach 1945 ist höchst wechselvoll: Die rührige Kaufmannsfamilie Bagusat gründete auf dem Anwesen nicht nur ein Gestüt mit Rassepferden und eine Mopedfabrik, sondern stellte auch in Schnaps eingelegte Früchte für die Schokoladenindustrie her. Die 1980er Jahre beschließen das vorläufige Ende der Schlossgeschichte mit der Umwandlung in Eigentumswohnungen.
Aus dem geplanten kleinen Führer seien stattliche 90 Seiten mit 65 Bildern entstanden, erzählt Rosemarie Mann-Stein stolz. Die Arbeiten für das Buch, das zusammen mit der Gemeinde Pöcking entstand und im Museum, im Rathaus und in der Gemeindebücherei verkauft werden soll, haben die Autorinnen ehrenamtlich geleistet, um es zum Selbstkostenpreis anbieten zu können. Dass die zur Saisoneröffnung im Kaiserin Elisabeth Museum geplante Buchvorstellung wegen der coronabedingten Schließung ausfallen musste, ist ein großer Wermutstropfen.
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