Der Poltergeist
Buchheim zum 100.: Prominenz erinnert sich
Den Transrapid hat Edmund Stoiber nicht nach München gebracht – wohl aber das Buchheim-Museum nach Bernried. Das rechnen ihm die Gäste, die zum Festakt gekommen sind, hoch an. Den Ex-Ministerpräsidenten empfängt begeisterter Applaus, als er in den überfüllten Saal des Buchheim-Museums tritt. Stoiber ist bester Laune und erzählt eine Anekdote nach der anderen über seine Begegnungen mit Lothar-Günther Buchheim, der am 6. Februar 100 Jahre alt geworden wäre.
Buchheim war ein großer Künstler und Sammler, aber kein einfacher Mensch. Oft hat er provoziert und polarisiert. Für Stoiber kein Problem. „Ich hatte ja viel Erfahrung mit starken emotionalen Menschen“, sagte er augenzwinkernd und meinte damit natürlich seinen Chef Franz Josef Strauß. Pläne für ein eigenes Buchheim-Museum existierten seit den 1970er Jahren, erzählt Stoiber, aus denen aber nichts wurde. Wegen Schwierigkeiten, die richtige Immobilie zu finden, wegen Rivalitäten mit der Pinakothek der Moderne und vielleicht auch, weil Buchheim den damaligen Kultusminister Wild als „Mümmelmann aus der Hasenschule“ beschimpfte.
Stoiber erzählt
Im November 1994 kam Buchheim verbittert in die Staatskanzlei, um sich mit seinen Kunstschätzen zu verabschieden. Für Stoiber stand fest: Das geht nicht, diese großartige Expressionismus-Sammlung „muss in Bayern bleiben“. Also fuhr Stoiber öfter mit seiner Frau Karin nach Feldafing, „und dann suchten wir beim Kuchen gemeinsam nach Lösungen.“ Nachdem es ihm gelungen war, Buchheim friedlich zu stimmen, schien mit der Villa Maffei der geeignete Standort für ein Museum gefunden. Aber die Feldafinger Bürger waren dagegen. Stoiber eilte höchstpersönlich zur Bürgerversammlung, um „aufzupassen, dass sich Buchheim nicht zu sehr aufregt“. Umsonst. „Er hat sich so geärgert, dass er die Kritiker als Schilf- und Gulliratten bezeichnete.“ Der Rest ist bekannt – der Nachbarort Bernried nahm das Museum mit Handkuss.
Er provozierte mit Leidenschaft
Wie war Buchheim? Ein Dickkopf – oder hartnäckig? Ein Polterer – oder emotional? Ein Geizhals – oder ein sparsamer Mensch? Für viele der prominenten Weggefährten, die sich an dem Abend an ihn erinnern, wie Klaus Doldinger (Titelmelodie „Das Boot“), Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser oder Bernrieds Altbürgermeister Walter Eberl war er beides. Journalist Michael Skasa erinnerte sich, dass Buchheim seinen Vater, einen Verleger, anreisen ließ, mit ihm arbeitete und mittags sagte: „Ich geh jetzt rauf zu Dietlinde zum Essen, und du kannst im Bahnhofrestaurant essen, da gibt es Kartoffelsalat mit Wiener.“ Rohrbach, einer der Großen des Filmgeschäfts und damals Chef der Bavaria, kam nach Feldafing um über Filmrechte zu verhandeln – und fror wie ein Schneider im ungeheizten Haus, während Buchheim im dicken Pulli da saß. Mit dem „Boot“-Drehbuch war er höchst unzufrieden. „Auf jede Seite hatte er Quatsch, Unsinn und Bullshit hingeschrieben“, so Rohrbach. Trotzdem, es sind sich alle einig: So war er halt, ein genialer Querkopf mit vielen Ecken und Kanten.
Eklat beim Festakt
Vielleicht liegt der Konfrontationskurs in der Familie, denn ganz zum Schluss des Festakts steht Nicky Buchheim auf und findet es „peinlich“, dass Buchheims Sohn Yves nicht eingeladen ist – auch wenn er gar nicht gekommen wäre, wie er sagt. Neffe Nicky, Zahnarzt aus Feldafing, wirft der Stiftung außerdem vor, dass Buchheims Haus in Feldafing abgerissen wurde, was dieser nie gewollt habe. Die meisten Anwesenden wissen, dass sich Yves Buchheim mit einem pünktlich zum 100. Geburtstag des Vaters erschienenen „Enthüllungsbuch“ unbeliebt gemacht hat. Dass die Villa nicht mehr steht, ist übrigens ein Glücksfall. Zumindest für die Besucher. Denn Buchheims ehemaliges Zuhause samt Mobiliar, Krimskrams und Bildern ist originalgetreu im „Museum der Phantasie“ wieder aufgebaut worden.
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