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„Wir sind zu vertrauensvoll erzogen“

Zahl der Trickbetrüger steigt nach den Lockerungen

Sagen den Betrügern den Kampf an: Gerhard Treiblmeir, Simon Bräutigam und Thomas Orbig (von links). (Bild: mka)

Die Zahl der neu mit dem Corona-Virus Infizierten geht glücklicherweise zurück. Im gleichen Maße aber, so bedauert Simon Bräutigam von der Weilheimer Polizei, steigen nun wieder die Zahlen der Trickbetrügereien, vorwiegend der berüchtigte „Enkeltrick“, aber auch der „Einsatz“ falscher Polizeibeamter. Die Anzahl dieser Delikte war während des Lockdowns und der Ausgangsbeschränkungen deutlich gesunken. „Ganz klar: Wenn die Straßen menschenleer sind, fallen die ‚Abholer‘ und erst recht Uniformierte umso stärker auf“, sagt Bräutigam.

Sparkassen-Chef Thomas Orbig und Gerhard Treiblmeir, Leiter der Privatkundenbetreuung, hatten zusammen mit Bräutigam zu einem Pressegespräch eingeladen, um über die Vorgehensweise der Betrüger aufzuklären und vor ihnen zu warnen.

Falsche Polizisten

Vor allem der Trick mit den falschen Polizeibeamten sei äußerst perfide, sagt Bräutigam. „Wir sind einfach zu vertrauensvoll erzogen: Wo ein Uniformierter auftaucht, neigen wir zu der Annahme, alles habe seine Richtigkeit.“ Erschreckend: „Ich werde so gut wie niemals nach meinem Ausweis gefragt, wenn ich im Einsatz bin“, führt Bräutigam aus. Kein Wunder also, wenn, vorwiegend ältere Mitbürger ihr Bargeld und ihren Schmuck dem „vertrauenswürdigen“ Polizisten geben, der, wenngleich in Zivil, ja das mit der Polizei vereinbarte „ganz geheime“ Codewort tatsächlich kennt. Dass der Anrufer selbst freilich auch kein Polizist war, weiß das Opfer ja nicht. Oftmals rufen die Betrüger unter der ortsbekannten Telefonnummer der Polizei (in Weilheim 0881/6400) oder gar unter Übermittlung der 110 an. Dann aber heißt es, besonders vorsichtig sein, denn: „Die Polizei ruft niemals unter der 110 an“, warnt Bräutigam. Sollte ein Polizist an der Tür klingeln, so rät der Experte, solle man sich den Ausweis zeigen lassen und selbst die 110 wählen, um dort nachzufragen, ob der Einsatz bekannt sei. „Die 110 ist in diesem Fall nicht nur eine Notruf-, sondern auch eine Servicenummer“, informiert Bräutigam. Und der Polizist gibt einen krude anmutenden, aber guten Rat: „Wenn sich ‚Polizei‘ am Telefon meldet, am besten gleich auflegen!“

Die „Gewinn-Betrüger“

Eine andere, bewährte und erfolgreiche Betrugsvariante seien Gewinnversprechungen. „Wenn einer anruft und sagt, man habe 45.000 Euro gewonnen, das Geld werde vermutlich heute noch, spätestens aber morgen bar ausbezahlt, mag es schon schwerfallen, allzu kritisch zu sein“, berichtet Bräutigam aus der Praxis. Und dass für den Werttransport Gebühren anfallen würden, sei dann nachvollziehbar. „Was sind 900 Euro im Vergleich zu 45.000 Euro?“ Die Gebühren würden am besten in Form von Wertkarten bezahlt, die ein Bote, der rein zufällig gerade in der Nähe sei, gleich abholen könne. Der Bote kommt. Er nimmt die Wertkarten mit. Das Geld kommt nicht. „Wer einmal auf sowas hereinfällt, ist leicht ein zweites Mal Opfer“, sagt Simon Bräutigam. Schwer zu glauben? Wenige Minuten nachdem der Bote mit den Wertkarten verschwunden ist, klingelt das Telefon ein zweites Mal: Man bedaure, es sei ein Irrtum, ein dummer Zahlendreher, nicht 45.000 Euro, sondern 54.000 Euro habe man gewonnen. Ganz klar, dass auch die Transportgebühr nun höher ausfällt. Aber der Bote sei ja noch in der Nähe und komme gleich nochmal vorbei, man möge nur hurtig noch einmal weitere Wertkarten besorgen. „Zweimal abkassiert für nichts und wider nichts! Kaum einer, der, wenn er einmal angebissen hat, jetzt einen Rückzieher macht“, weiß Bräutigam. „Wer einmal am Haken hängt, wird nicht mehr ausgelassen.“

Auch der telefonische Hinweis auf „korrupte Bankmitarbeiter“ taucht immer wieder auf, verbunden mit dem Ratschlag, Barvermögen und eventuellen Schmuck von der Bank zu holen und einem „Polizisten“ zur sicheren Aufbewahrung bis zur Klärung der Angelegenheit zu übergeben, ist bekannt. Eine andere Variante: Der Anlage-Betrug: Den Anlegern werden extrem hohe Renditen, natürlich für Anlagen im Ausland, versprochen, für die aber immer wieder „nachgeschoben“ werden muss. Denn die Auszahlung der erreichten Höhe sei mit derartigen Gebühren verbunden, dass die Summe des bereits eingezahlten bedeutend geschmälert würde. „Also schiebt man lieber gutes Geld dem schlechten nach, um noch mehr zu erzielen. Das Geld aber ist in jedem Fall weg.“

Wie kann man sich wehren?

Die Polizei informiert und schult regelmäßig immer wieder die Mitarbeiter von Banken, so auch die der Sparkasse Oberland. Bankmitarbeiter sind angehalten, Kunden bei auffälligen Abhebungen oder Überweisungen noch einmal vorsichtig zu befragen oder sogar mit dem Kunden einen von der Polizei ausgearbeiteten Fragebogen durchzuarbeiten, dessen Kenntnisnahme der Kunde unterschreiben muss. „Das verpflichtet zu nichts“, sagt Thomas Orbig, „aber es kann im Nachhinein zeigen, dass unsere Mitarbeiter nicht tatenlos zugesehen haben, wie ein Kunde in sein Unglück rennt, wenn sich herausstellt, dass es sich tatsächlich um Betrug gehandelt hat.“ Und von sich aus ruft das Geldinstitut Kunden an, wenn ungewöhnlich große Überweisungen getätigt werden, besonders, wenn solche Überweisungen ins Ausland gehen.

Den Geschädigten rät Simon Bräutigam in jedem Fall, Anzeige zu erstatten. Auch wenn es nichts nutzen mag, weil die Gauner beispielsweise in Nigeria oder in Litauen sitzen, schaden kann es nicht. Und die dabei benutzte Bankverbindung wird bekannt.“

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