Kapitän auf großer Fahrt
Der Weilheimer Michael Hirth studiert Nautik
Lokomotivführer, Kranführer, Pilot oder Kapitän - das sind klassische Berufswünsche, wenn man sich bei kleinen Buben umhört. Auch Michael Hirth (26) aus Weilheim hatte klare Vorstellungen davon, was er einmal werden wolle, wenn er erst erwachen wäre. "Bei mir war es der Feuerwehrmann, der Dirigent oder der Segellehrer - am liebsten etwas mit Wasser", sagt er. Deswegen hatte er sich vorgenommen, wenn er zur Bundeswehr eingezogen würde, zur Marine zu gehen. Ein einwöchiges Praktikum, das er in Wilhelmshaven bei der Marine absolvierte, überzeugte ihn jedoch schnell davon, dass dies nicht sein Weg sei. Nachdem schließlich die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, hatte sich das Thema "Bundeswehr" für ihn ohnehin erledigt. "Aber weiterhin reizte mich die Schifffahrt", erzählt der Hirt und so wagte er den ersten Schritt aus dem bayerischen Oberland auf das weite Meer. Doch halt! So schnell ging es nicht.
Erst der Binnenschiffer
Zunächst absolvierte er nach dem Abitur 2012 eine Ausbildung zum Binnenschiffer und erwarb das "Große Rheinpatent, das ihn dazu befähigt, den Rhein und alle Flüsse, die der "Binnenschifffahrtsstraßenordnung" unterliegen zu befahren. Ausgenommen sind die Donau und die Mosel sowie ein paar andere Flüsse. "Für die braucht man ein eigenes Patent, das man bekommt, wenn man mit einem Schiff acht Mal zu Berg und zu Tal gefahren ist und die Prüfung erfolgreich besteht", erklärt er.
Nach Abschluss der dreijährigen Ausbildung erhält man den "Bootsmannsbrief" (entspricht dem Gesellenschein im Handwerk). Nun wird noch ein Jahr reine Fahrtzeit "an Bord" für den Rang des "Steuermanns" benötigt. Ein Jahr Fahrtzeit entspricht zwei Jahren, da pro Jahr maximal 180 Tage als "an Bord befindlich" annerkannt werden. Zur Prüfungskommission zugelassen wird man nach Absolvieren der erforderlichen Fahrtzeit - als Steuermann (ein weiteres Jahr beziehungsweise 180 Tage) und Streckenkunde von "acht Tal- und Bergfahten" auf dem zu prüfenden Streckenabschnitt.
Die "Berg- und Tal-Fahrt"
"Zu Berg" beziehungsweise "zu Tal" bedeutet hier "flussaufwärts" beziehungsweise "flussabwärts". Nach seiner Ausbildung hätte Hirth "sein Schiff", mit immerhin 86 Meter lang und 10 Meter breit mit einer Ladefähigkeit von 1.500 Tonnen ein mittleres Schiff, als angestellter Schiffsführer übernehmen können, weil dessen Kapitän in Rente ging. Auch der Gedanke, Partikulier zu werden, kam kurzfristig auf. Partikulier ist der Eigner und in der Regel auch der Schiffsführer seines eigenen Schiffes. "Aber dazu wäre ein Kapital von einer bis 1,5 Millionen Euro nötig gewesen, neben einigen anderen Einschränkungen in Sachen Familie, Freizeit und Ungebundenheit. Und dann: "Als Schiffsführer ist hier eigentlich die letzte Stufe der Leiter erreicht. Ich möchte aber doch mehr", sagt Hirth.
So begann er also 2017 ein Nautik-Studium an der Hochschule für Seefahrt in Elsfleth in der Nähe von Oldenburg. Eines von sieben Semestern hat er dort bereits hinter sich gebracht und befindet sich jetzt in den Semesterferien wieder in Weilheim. Das zweite Semester ist nämlich, wie auch das siebente ein Praxissemester.
Warten auf den Einsatz
Jetzt wartet der Nautik-Student auf den Brief seiner Reederei, der ihm verraten wird, wo und wann er auf sein Schiff "aufsteigen" wird. Dem Brief wird das Flugticket zum Hafen, in dem das Schiff dann liegt, beiliegen. Wo das ist, erfahre ich erst dann. In den nächsten Tagen also wird sich Hirth aufmachen, um ein halbes Jahr "in See zu stechen". "Es wird ein Tanker sein, soviel weiß ich schon."
Dem Praxissemester folgen dann weitere Semester an der Hochschule bis zum vorletzten Semester, das wieder ein Praxissemester sein wird. "Insgesamt müssen zwölf Monate Borddienst nachgewiesen werden. Das ist die Voraussetzung zum Offizierspatent." Der Dienst als Offizier beginnt als dritter, dann zweiter und schließlich erster Offizier, der dan aber schon das Patent zum Kapitän in Händen hält. Als solcher darf Michael Hirth dann alle Schiffe auf allen Meeren fahren, vorausgesetzt, er hat das deutsche Patent. Ende 2021 wird Michael Hirth dieses Ziel, also das Ende seines Studiums erreicht haben.
Arbeitszeiten auf dem Schiff
"Die Arbeitszeiten sind lang auf einem Schiff", sagt er. "Zehn Stunden sind die Regel." In der Regel geht man als Offizier zwei Mal vier Stunden pro Tag Wache. Im Hafen, während des Ladens und des Löschens einer Ladung oder auf Anweisung des Voegesetzten können es auch zwei Mal sechs Stunden pro Tag sein.
Viele Schiffe fahren mit zwei Besatzungen "Schicht", das heißt, es kann sein, dass man 14 Tage ununterbrochen arbeitet und dann 14 Tage frei hat. Andere haben ihre Besatzungen drei Monate im Dienst und geben ihnen drei Monate frei. Besonders gut bezahlt sei der Seemansjob auf Tankern und auf Schiffen, die Gefahrgut transportieren. Wichtig sei, so Hirth, dass man möglichst bei einer deutschen Reederei mit einem deutschen Vertrag zusammenarbeitet.
"Der Kapitän ist ein Stellvertreter"
"Um als Seemann vernünftige Arbeitskonditionen zu bekommen, sollte man sich am Besten an deutsche oder skandinavische Reedereien halten", sagt Hirth. "Hier gibt es nämlich einen festgelegten Heuer-Tarif, in dem Mindestvorgaben an Heuer (Gehalt) und Arbeitszeiten geregelt sind." Eine Garantie sei dies freilich auch nicht. Viele Reeder lassen ihre Schiffe aber unter anderer Flagge, haben mehrere Firmensitze und melden im Bedarfsfall ihr Unternehmen an einem ausländischen Sitz an "und nichts war's wieder mit den schönen Tarifen", lacht Hirth. Oft beschäftigen sie auch ausländische Seeleute zu Dumpingpreisen.
Als Kapitän und Erster Offizier aber verdient man auch in diesen Fällen recht gut, unter deutscher Flagge und mit deutschem Vertrag sogar sehr gut. "Wenn auch bei enormen Arbeitszeiten", so Hirth. Für ihn ist klar: Erster Offizier Kapitän möchte er werden. "Aber nicht auf einem Kreuzfahrtschiff a la Siegfried Rauch", lacht er und fügt hinzu: "Ich will unbedingt auf einen Tanker!" Der Erste Offizier nämlich sei es, der auf einem Schiff tatsächlich die Fäden in der Hand halte. "Der Kapitän ist eher ein Stellvertreter der Reederei und zu neunzig Prozent mit Papierkrieg beschäftigt. Nur zu Manövern steht er auf der Brücke."
Aussichten und Daten
Die Berufsaussichten, besonders in der Binnenschifffahrt sind ausgezeichnet. "Man muss im Prinzip nur irgendwo kundtun, dass man eine Stelle sucht, und nur wenige Stunden später kann das Telefon klingeln. Das weiß ich aus eigener Erfahrung." Auf See sieht das anders aus, es sei dennm man macht Abstriche bei der Heuer.
Das Schiff, auf dem Michael Hirth derzeit Dienst tut und das er am 1. September bestiegen hat, ist ein Chemikalientanker mittlerer Größe mit einer Länge von 150 Metern und einer Breite von zwölf Metern. Der Tiefgang beträgt neun Meter. 23.000 Tonnen Gesamtmasse hat das Schiff und eine Ladekapazität von 17.000 Tonnen, verteilt auf 17 Tanks. Die Hauptmaschine allein bringt 4.500 Kilowatt (etwa 6.118 PS). Beladen braucht der Motor zwanzig Tonnen Diesel/Schweröl am Tag und bringt es auf einem Maximalgeschwindigkeit von 12,5 Knoten (23,15 Kilometer) pro Stunde. Der Bremsweg beträgt voll beladen zwei Kilometer.
Bislang hat das Schiff folgende Häfen angelaufen: Antwerpen, Oslo, St. Petersburg, Göteborg, Rotterdam und Dublin.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH