Digitalisierung entschärft das Problem nicht
Lehrermangel an den Schulen – 10 Fragen an Beate Sitek
Seit Beginn der coronabedingten Einschränkungen stehen die Schulen in Deutschland vor einer ganz besonderen Herausforderung. Egal ob nun Präsenzunterricht vor Ort oder Unterricht per Videoübertragung und „Home-Schooling“, es gilt, den besonderen Umständen Rechnung zu tragen.
Doch das ist nicht das einzige Problem, das an deutschen Schulen herrscht. Auch der Lehrermangel macht sich mehr und mehr bemerkbar. Wir befragten dazu Oberstudiendirektorin Beate Sitek, Schulleiterin am Gymnasium in Weilheim.
Es gibt „Lehrer-Reserven“
Wenn an einer Schule Lehrer fehlen, fällt meist auch Unterricht aus – mit Folgen fürs Lernen, aber auch für Betreuung von Kindern. Lehrermangel und Unterrichtsausfall reißen Lücken, die Eltern sofort im Alltag spüren. Wie fangen sie solche Fehlstunden auf?
Beate Sitek: Alle Gymnasien haben eine integrierte Lehrerreserve im Umfang einer vollen Lehrerstelle. Stunden werden vertreten, von Fachlehrern oder Lehrkräften anderer Fächer, die immer Lücken schließen und am Grundwissen arbeiten können. Dauert die Krankheit länger als sechs Wochen, kann Ersatz eingestellt werden.
Keine Fehlstunden
Fehlstunden werden ja nicht nur durch Lehrermangel verursacht, sondern haben viele verschiedene Auslöser. Aber wie hoch ist der Anteil, der auf Lehrermangel zurückzuführen ist?
Beate Sitek:Gleich Null.
Lehrermangel ist nicht das Kernproblem
Der BLLV (Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V.) nennt den Lehrermangel das „Kernproblem“ unserer Schulen. Ist es das?
Beate Sitek: Das kommt vermutlich auf die Schulart an, für Gymnasien und Realschulen trifft die Aussage nicht zu.
Die Pandemie hat die Situation nicht verschärft
Corona hat an vielen Stellen schmerzhafte Lücken gerissen. Hat die Pandemie die Situation des Lehrermangels verschärft? Oder haben aktuellere Herausforderungen ihn eher in den Hintergrund gerückt?
Beate Sitek: Das war vorher kein Problem und ist auch jetzt kein Problem.
Wenn Lehrer ausfallen: Wie lange fallen sie eigentlich im Schnitt aus?
Beate Sitek: Hierzu müssten Sie das Staatsministerium befragen.
Welche Schularten sind vom Lehrermangel besonders betroffen; wo läuft es eher gut?
Beate Sitek: Auch dazu müssten Sie das Staatsministerium befragen.
"Dauerhafte Vorsorge ist nicht möglich"
Die Ausbildung eines Lehrers dauert einige Jahre. Welche Weichen müsste man jetzt stellen, um dauerhaft vorzusorgen?
Beate Sitek: Eine dauerhafte Vorsorge ist nicht möglich. Dazu spielen zu viele Faktoren in die Fragestellung hinein.
Digitalisierung entschärft nicht den Lehrermangel
Wir reden viel von Digitalisierung an den Schulen. Sollte alles gelingen, was man sich da vornimmt: Würde das den Lehrermangel entschärfen?
Beate Sitek: Nein.
Die Umstellung von G9 auf G8
Lehrerstellen werden jedes Jahr neu geschaffen, aber es gehen jedes Jahr auch Lehrer in Pension oder scheiden anderweitig aus. Haben Sie heute mehr Lehrer als vor zehn Jahren?
Beate Sitek: Nach der Umstellung von G9 auf G8 blieben tausend Stellen im Gymnasium, die man streng genommen nicht mehr gebraucht hätte. Weitere tausend Stellen wurden über andere Schularten und Verwendungen verteilt. Es gibt mehr Stunden für Schulpsychologen, Stunden für die Integrierte Lehrerreserve, Stunden für neue Führungsmodelle (erweiterte Schulleitung), Stunden für Vertiefung und individuelle Förderung, Stunden für berufliche Orientierung und etliche mehr, die sich hier nicht alle in der Kürze darstellen lassen.
"13,5 Schüler pro Klasse"
Natürlich haben sich auch die Schülerzahlen und Fächer verändert. Wenn wir Schüler und Lehrer in Relation zueinander setzen: Wie viele Schüler kommen derzeit auf einen Lehrer – und wie war es vor zehn Jahren?
Beate Sitek: Auch das ist eine Frage fürs Staatsministerium. Wenn man alle Kopplungen, Intensivierungsstunden, kleine Sprachgruppen, Wahlunterrichtsstunden, Oberstufenkurse, Seminare und andere zählt, müssten wir aktuell auf zirka 13,5 Schüler pro Klasse kommen.
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