Bildungsurlaub rund um den Siglhof
Frauen von Zuflucht Oberbayern e.V. gedenken Augspurg und Heymann bei einem Ortsausflug
„Peißenbergs Walhall“, diesen Namen gaben Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann dem höchsten Punkt der Ländereien um den Siglhof, den sie von 1907 bis 1914 mit 30 weiteren Frauen erfolgreich bewirtschafteten. Bei schönem Wetter gibt dieser Platz den Blick über die Alpenkette von der Zugspitze bis ins Allgäu frei. Genau hier wollten Augspurg und Heymann eine „Gedächtnisstätte“ für Frauen und Männer errichten, die der „Menschheit durch Kunst-, Geistes- oder Charakterstärke Unvergängliches gaben“. Durch Brandstiftung an ihrem Hof sowie dem Ausbruch des ersten Weltkrieges kam es nicht mehr dazu.
Im Sinne dieser Gedächtnisstätte haben die Frauen von Zuflucht Oberland e.V. an einem schönen Herbstmorgen mehr als hundert Jahre später dem Lebenswerk von Augspurg und Heymann gedacht. Ihrem unermüdlichen Einsatz in der alten Frauenbewegung um die Wende des letzten Jahrhunderts haben Frauen es heute zu verdanken, dass sie in Deutschland seit der Gründung der Weimarer Republik 1919 erstmals aktiv wählen und sich selbst zur Wahl stellen können.
Rast am "Goethehain"
Nach dieser ersten Etappe führte der Weg oberhalb einer Wiese hinab in Richtung „Goethehain“, von dem heute leider nicht mehr viel zu sehen ist. Hier haben Augspurg und Heymann in der Nische einer rotgranitenen Felswand eine Goethe Büste von Rauch aufgestellt und den Platz Jahr für Jahr verschönert. Am Ende war ein Hain für „traute Stunden des Ausruhens und Bedenkens in Sonnen- und Mondenschein“ entstanden, an dem sie jedes Jahr Goethes Geburtstag mit einem „Gralsbecher“ Champagner feierten. Zu Feiern hatten die Mitwirkenden bei Zuflucht Oberland e.V. an diesem Tag gleich zweierlei: Neben Wafaa`s erstem Mitarbeiterinnen-Jubiläum konnte Sophie als erste Praktikantin beim Verein begrüßt werden.
Würdigung durch Förderpreis?
Auf dem Rückweg genoss die Gruppe noch einmal die warme Sonne und die klare Weitsicht, danach wurde im Café Peißenberg eingekehrt. Ab diesem Zeitpunkt war nativ speaking "erlaubt", sodass der kleine einladende Hinterhof des Cafés zeitweise einem arabischen Kaffeehaus für Frauen glich. Zum Schluss ließen die Teilnehmerinnen noch einmal Revue passieren lassen, wie dieser Ausflug zustande gekommen war: Die Bundestagswahlen im September gaben im Vorfeld immer wieder Anlass, über Politik zu reden, z.B. welche von den zugewanderten Frauen in Deutschland wählen dürfen, für welche Inhalte die Parteien stehen, wie sie es mit der Förderung von Frauen und Migrantinnen in den eigenen Reihen halten und vieles mehr. Auf einer Bildungsreise sollten diese Themen vertieft sowie das Zusammengehörigkeitsgefühl der Frauen gestärkt werden.
Apropos Förderung: Wäre es nicht an der Zeit, dass der Landkreis Weilheim-Schongau in Gedenken an Augspurg und Heymann durch einen Förderpreis das Engagement von Frauen für Frauen im Pfaffenwinkel würdigt? Die Städte München und Bremen, sowie der Landkreis Verden an der Aller und die Deutsche Sektion der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) in Berlin tun dies bereits seit Jahren. Der Beschluss des Peißenberger Gemeinderates von 2020, im Neubaugebiet „An der Ludwigstraße II“ zwei Straßennamen nach Augspurg und Heymann zu benennen, könnte dafür ein Anfang sein.
Nähere Infos zu Zuflucht Oberland e.V. sowie deren Angebote für Frauen jeder Herkunft gibt es unter www.zuflucht-oberland.de im Internet.
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