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Rubrik: Gesamt · Ort: fuenfseenland
Wurstfabrik wird Stadtquartier
Die Houdeks schlagen im Gewerbegebiet ein neues Kapitel auf
Das waren noch Zeiten, als Seniorchef Rudolf Houdek im weißen Metzgerkittel und im dicksten Mercedes stolz in Starnberg herumfuhr. Die Houdeker Wurstspezialität Kabanos, die heißgeräucherte Salami, war und ist buchstäblich in aller Munde. Schon lange aber wird im oberfränkischen Arzberg produziert, die Hallen der Wurstfabrik sind bis auf die Büros der Verwaltung schon länger verwaist. Ohnehin ähneln das Houdek-Gelände und seine Nachbargrundstücke zwischen Moosstraße und Petersbrunner Straße mehr einem großen Durcheinander von überalterten Gewerbebauten als einem florierenden Gewerbegebiet.
Den Eindruck wollen die Enkel des Gründers ändern. Robert Houdek und Rudolf Houdek planen hier ein visionäres Projekt. Auf insgesamt 30.000 Quadratmetern soll zusammen mit mehreren Nachbargrundstücken das neue Stadtquartier „Moosaik“ entstehen und Arbeit, Wohnen und Freizeit zusammenführen. Bei einem Pressegespräch erläuterten die beiden Cousins ihr Vorhaben.
Der Familienbesitz sollte nicht an Investoren
Nach dem Wegzug der Produktion sollte das Grundstück eigentlich an internationale Investoren verkauft werden. Die Kaufverträge lagen zur Unterschrift schon auf den Tisch, da siegte bei den Houdek-Enkeln das Heimatgefühl über die Geldanlage. „Können wir das wirklich geschehen lassen, wollen wir das echt verkaufen?“, habe er seinen Cousin und Co-Geschäftsführer Rudolf am Telefon gefragt, nachdem er eines Abends an dem Grundstück vorbeigefahren war, erinnert sich Robert Houdek. Für die beiden war klar, dass sie das Gelände für die Familie behalten und weiterentwickeln wollen. Deswegen stiegen sie kurzerhand selber in den Kaufvertrag ein. Anfangs ohne recht zu wissen, was draus werden soll. Schnell sei klar geworden, „dass wir ohne die Nachbarn nichts bewegen können“. Bei den Anliegern Baasel, Wimmer, Kirchmayr und Hauser stießen sie auf offene Ohren und holten sie zu einer Interessensgemeinschaft mit ins Boot. Das Konzept von „Moosaik – das verbindende Quartier“ sieht vor, die nicht mehr gebrauchten Gewerbebauten abzureißen, die bestehenden Betriebe sollen aber wieder in Neubauten eingebunden werden und sich mit Gewerbe, Handwerk, Wohnungen, Freizeitmöglichkeiten und öffentlichen Einrichtungen wie Kitas und Feuerwehr mischen. Die Planung, zu der noch keine Details bekannt sind, ist durchaus ambitioniert zu nennen: so soll eine Brücke für Radler und Fußgänger quer über die Münchner Straße eine direkte Verbindung zum See schaffen.
Geschichte der Houdek-Wurstfabrik
Der Name „Moosaik“ spielt natürlich auf die Adresse in der Moosstraße an, soll aber auch die verschiedenen Beteiligten des Projekts verdeutlichen. Für die Houdeks soll der Standort weiter Firmensitz bleiben, daher werden Büros gebraucht, sie wollen aber auch bezahlbare Wohnungen für Mitarbeiter schaffen. Rudolf Houdek sprach davon, nachhaltig und mit viel Holz bauen zu wollen. Das Projekt entwickeln soll die Scherbaum Gruppe. Der Stadtrat hat quer durch alle Fraktionen in einer ersten nicht-öffentlichen Sitzung bereits seine Unterstützung für das neue Stadtquartier signalisiert. Es wird als große Chance gesehen, das alte Gewerbegebiet aufzuwerten. „Endlich kommt Bewegung in die Entwicklung“, zeigte sich Bürgermeisterin Eva John erleichtert. Am 23. Januar wird das Projekt im Stadtrat vorgestellt, 2022 könnte Baubeginn sein. Für die Houdeks wäre es ein Herzenswunsch, zum 100-jährigen Firmenjubiläumin ihren neuen Firmensitz einziehen zu können. 1926 war das Gründungsjahr im Sudetenland. Nach Flucht und Vertreibung landete Metzgermeister Rudolf Houdek in Starnberg, wo er aus dem Nichts ein Unternehmen aufbaute und als einer der ersten in den 1960er Jahren ins Gewerbegebiet Starnberger Moos zog. Mit 125 Millionen Euro Jahresumsatz und 480 Mitarbeitern gehört der in dritter Generation geführte Familienbetrieb heute zu den Top 20 seiner Branche in Deutschland.
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