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Wenn Natur und Mensch kollidieren

Was für Zweibeiner ein Segen ist, kann für den Vierbeiner ein Fluch sein

Desto schwerer das Tier, umso schwerer kann auch der Unfall werden. Eine Kollision mit einem Wildtier kann auch für den Fahrer und seine Beifahrer schnell gefährlich werden. (Bild: Wähler)

Die Gilchinger haben lange um sie gekämpft, gebangt, dass das große Vorhaben für die Entlastung von Gilchings Straßen nicht wie eine Seifenblase zerplatzt und sie letztendlich im November 2019 eröffnet: Die lang ersehente Westumfahrung. Ihre Aufgabe: den Verkehr aus Gilching herausleiten, die stark belasteten Straßen entlasten und somit den Anwohnern mehr Ruhe bringen.

Die rund fünf Kilometer lange Umgehungsstraße mündet in Gilching am sogenannten "Röchnerknoten" an den Auffahrten der A96 nach München oder Lindau, in andere Richtung endet sie auf der Straße Richtung Alling.

Geschwindigkeit und die Tiere

So weit so gut. Die Umgehungsstraße wird gut genutzt, nicht nur von de Lkws, sondern auch von allen anderen Verkehrsteilnehmern. Am Wochenende könne man laut Anwohner zwar regelmäßig das laute Aufheulen der Motoren hören, wenn Gilchings Tuning-Szene von der Allguth aus mit ihren aufgemotzten PS-Freunden die fast schnurgerade Straße austesten (wir berichteten), ansonsten sei es aber auf der Straße relativ ruhig. Hier und da mal ein Blitzer, bis dato nur ein schwerer Unfall. Eigentlich nichts Ungewöhnliches.

Ganz anderes können allerdings die Jäger und Jagdpächter rund um die Umgehungsstraße berichten. Auf der gesamten Strecke betreuen verschiedene Jäger die Wälder und Felder, durch die sich das jeweilige Stück der Verkehrsstütze für Gilching zieht. Und sie haben alle eine traurige Gemeinsamkeit zu berichten: zahlreiche Wildunfälle. Allein auf einem fast nur 400 Meter langen Abschnitt, den Jagdpächter Rudi Holzapfel betreut, seien seit der Eröffnung bereits vier Rehe durch den Verkehr getötet worden. Bei Pächter Wolfgang Wurm, der den Abschnitt in Richtung Alling betreut, sieht es ähnlich schlecht aus, auch bei ihm sind fünf Rehe getötet worden.

Straße kreuzt Natur

Doch weitaus dramatischer zeichnet sich die Situation am Abschnitt von der Allguth bis zu den Fußballplätzen ab: Jäger Günther Schmid hat hier eine beachtliche Liste aufstellen können: 16 Stück Rehwild, 11 Hasen, drei Füche und vier Dachse seien dem Verkehr zum Opfer gefallen. "Viele Rehe hatten bereits ihre Kitze gesetzt, nachdem die Tiere verendet sind, kann man sich vorstellen, dass die Kitze ohne ihre Mütter nicht überleben werden", berichtet er. Eine Suche nach den Tierkindern sei oftmals erfolglos, zu gut getarnt und versteckt würden sie liegen. Ein weiteres Problem sei, dass einige Tiere vom Unfallverursacher der Polizei nicht gemeldet worden seien. Letzteres sei doppelt schlimm, da zum einen der Fahrer nicht erkennen könne, ob das Tier noch lebt und es somit qualvoll sterben müsse, zum anderen sei das Nicht-Melden eines angefahrenen Tieres auch ein Straftatbestand, der mit Fahrerflucht gleichzusetzen sei.

Problem sei, dass die Umgehungsstraße mitten durch das Habitat der Tiere führe. Diese würden trotz der Leitplanken ihre alten Wege nutzen, ungeachtet von Verkehr oder sonstigen Einflüssen. "Kommt dann noch eine hohe Geschwindigkeit und eine nicht vorausschauende Fahrweise hinzu, ist das Unglück schon passiert", konstatiert der Jäger. Traurig sei auch, dass es keinen Unterschied mache, in welchem Bereich die Unfälle passieren. Selbst in den Zonen, in denen das Tempo reduziert sei, gebe es Unfälle.

Abhilfe am Straßenrand

Um das Wild zu schützen, haben alle Jäger und Jagdpächter auf eigene Kosten an ihrem jeweiligen Streckenabschnitt sogenannte "Wildreflektoren" angebracht. Sie werden an den Leitpfosten befestigt. Die blauen Streifen reflektieren das Licht der vorbeifahrenden Autos in den Seitenstreifen hinein und haben so eine Stopp-Wirkung auf das dort stehende Wild. Letzteres würde nämlich vom Licht geblendet und bleibt dann erst einmal stehen. Ansonsten würde es auf die Straße rennen und im Lichtkegel der Fahrzeuge verharren.

Die Kosten für diese Wildwarner starten bei circa 10 Euro pro Stück, Anbringung und Arbeitszeit nicht mitgerechnet. Empfohlen werde laut Hersteller, alle 30 Meter einen Warner anzubringen. Je nachdem wie lang das Teilstück ist, kann dies für die Jäger auch einmal ganz schön teuer werden. Das Resümee der Grünröcke: Seit der Anbringung seien weniger Wildtiere angefahren worden. Unfälle seien trotzdem nicht zu 100 Prozent auszuschließen. Daher ihr Appell: Vorausschauend und angepasst fahren. Nicht nur zum Schutz des Wildes, sondern auch um sich selbst nicht zu gefährden.

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