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Scherenschnitt, Schattenriss oder Silhouette

Filigrane Papierarbeiten in der Weßlinger Gemeindegalerie

Erich Rüba und Olaf Nie haben die Scherenschnittausstellung konzipiert. (Bild: pst)

Seit 15 Jahren sammelt der Weßlinger Buchbindermeister Olaf Nie Scherenschnitte. Eigentlich wollte er sich damals lediglich für einen Vortrag über diese besondere Papierschneidekunst mit Material eindecken. Doch je mehr er über die Schattenrisse lernte und je öfter er Fundstücke von Flohmärkten mit nach Hause brachte, umso größer wurde seine Begeisterung. Mittlerweile besitzt Nie eine beachtlliche Sammlung an Werkstücken aus den verschiedensten Epochen. Ein Teil davon ist derzeit in der Weßlinger Gemeindegalerie ausgestellt und trägt den Titel: „Etienne de Silhouette und die Geschichte des Scherenschnitts“.

Der franzöische Finanzminister aus dem 18 Jahrhundert, Etienne de Silhouette, soll aus lauter Geiz in seinem Schloss anstelle von wertvollen Gemälden Scherenschnitte aufgehängt haben. Bald wurden diese dann als „Silhouetten“ bezeichnet, erzählt Nie bei einem Rundgang durch die Gemeindegalerie. Zu jedem der vielen Scherenschnitte, die an den Wänden hängen oder in den Vitrinen liegen, hat er eine Geschichte. Zum Beispiel zu dem Weißschnitt. Er heißt so, weil er aus weißem Papier angefertigt wurde. Auf der Dult habe er den völlig verknüllten und beschädigten Scherenschnitt entdeckt und für wenig Geld erstanden. Als Buchbindermeister war es für ihn natürlich eine Herausforderung in unzähligen Stunden die filigranen Bilder von Heiligenlegenden und einer weltlichen Jagdszene zu restaurieren. Das Geschenk an seine Frau hat einen goldenen Bilderrahmen bekommen, um es richtig in Szene zu setzen. Im 17. Jahrhundert seien Weißschnitte in Klöstern beliebt gewesen. Ihre zarten Formen erinnerten an Klöppel- oder Stickarbeiten, so Nie.

Auch Goethe sammelte Schattenrisse

Im 18. Jahrhundert wurden die Schattenrisse verwendet, um die Theorie der Physiognomie zu illustrieren. Der Pfarrer und Schriftsteller Caspar Lavalter glaubte den Charakter eines Menschen anhand von Gesichtszügen bestimmen zu können. Wolfgang von Goethe habe eine ganze Sammlung von Portraits gehabt, liest man in der Ausstellung. In der Modernen wurden die Scherenschnitte immer künstlerischer und handwerklich raffinierter. Die expressiven Figuren zweier Eisläufer mit ihren verlängerten Gliedmaßen von Ernst Moritz Engert würden an Salvador Dali erinnern, so Nie.

Im hinteren Raum der Gemeindegalerie hat Olaf Nie mit Gemeindegalerist Erich Rüba eine besondere Leihgabe ausgestellt. Es handelt sich um ein Schattentheater aus den 1890-er Jahren. Hinter der Leinwand ist eine Spielszene für ein Kasperlstück von Franz von Pocci aufgebaut. Beim Schattenspiel könne man durch die Entfernung der Figuren zur Leinwand Schärfe und Unschärfe bewirken und dem Spiel eine besondere Dynamik geben. Reizende Kinderarbeiten der Autorin und Illustratorin Susanne Ehmke, Notgeld mit Scherenschnitt-Motiven aus den 1920-er Jahre, ein Poesiealbum mit eingeklebten Scherenschnitten, Miniaturen und Ex-Libris-Schnitte, die zur Kennzeichnung von Büchern dienten, sowie eine Vielzahl an Einzelwerken runden die Ausstellung ab. Übrigens: Auch wenn sie „Scherenschnitt“ heißen, für die feinen Schnitte wäre eine Schere viel zu grob. Künstler klebten das Papier mit Zuckerwasser auf eine Glasscheibe und schnitten die Details mit einem winzigen Federmesser aus. Heute wird auch schon mit dem Laser gearbeitet.

Die Scherenschnitt-Ausstellung in der Gemeindegalerie, Hauptstraße 57, in Weßling kann bis 7. März 2021 freitags und sonntags von 14 bis 17 Uhr besichtigt werden.

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