Nostalgiebesuch im Kaufhaus Biller
Liebevolle Erinnerungen an ein Starnberger Original
Im Frühjahr ist Inhaberin Gertrud Weiß mit 94 Jahren hochbetagt gestorben. Im Kaufhaus Johann Biller in der Starnberger Hauptstraße gingen aber trotzdem noch einmal die Türen auf. Ganz so wie früher, als die Ladenglocke klingelte und Trudi Biller, wie sie bei allen nur hieß, aus dem Nebenzimmer, das sowohl als Wohnzimmer wie auch als Warenlager diente, herantrat, um die Kundschaft zu begrüßen. Über riesengroßes Interesse freuten sich Elisabeth Carr und Annette Kienzle, als sie kürzlich zum Tag des Offenen Denkmals einluden – alle Touren im Halbstundenrhythmus, die unter strengen Hygieneauflagen stattfanden, waren ausgebucht.
Biedermeiereinrichtung
Noch einmal durften die Besucher sich sattsehen an der schönen alten Ladeneinrichtung aus der Biedermeierzeit und einer Warenwelt, die irgendwann im letzten Jahrhundert stehengeblieben war, mit sorgfältig handgeschriebenen Preisauszeichnungen, altmodischen Kittelschürzen und Korselettstäben. „Trudi Biller hat die Zeit bewahrt, aber sie auch mit der Zeit gegangen“, rief Elisabeth Carr den in Nostalgie schwelgenden Besuchern in Erinnerung. Sie weiß es vielleicht am besten, denn ihre Mutter war schon als kleines Mädchen die beste Freundin von Gertrud, die gegenüber wohnte.
Haus hat viel erlebt
„Ja, richtig schicke Sachen gab es hier“, bekräftigte Annette Kienzle und schlüpfte zum Spaß in die Rolle der früheren Inhaberin, um bei „Kundin“ Elisabeth Carr Maß zu nehmen. Wer etwa im „Undosa“ auf einen Ball gehen wollte, ging rechtzeitig zur Trudi, um sich Schnittmuster und Stoff zu kaufen. Kienzle berichtete, dass das Haus 1858 gebaut wurde, als an der Hauptstraße die Geschäfte zusammenwuchsen. Es hat viel miterlebt, beispielsweise als 1936 zur Olympiade die Straße begradigt oder in den 1960er Jahren tiefer gelegt wurde. Die Einrichtung aus Holz ist aber noch viel älter, sie stammt aus dem Ladenvorgänger in der Josef-Jägerhuber-Straße (1804). Verkauft wurden Kolonialwaren, die Emailleschilder hölzernen Schubladen zeugen davon: "Chockolade" heißt es da, "Perlkaffee" und "Weinbeeren". Auch den Weihrauch konnte man sich von der frommen Besitzerin abfüllen lassen. Zwar konzentrierte Trudi Biller ihr Sortiment ab etwa 1950 auf Wäsche, Kleidung und Stoffe. Trotzdem hatte sie noch jede Menge andere Vorräte. „Wenn beim Kochen das Maggi fehlte, hieß es, geh zur Trudi“, schmunzelte Carr. „Die Trudi hat kein Glump“, so habe es stets geheißen.
Gertrud Weiß war ein Original, wie ein Foto zeigt, eine zugleich herzlich wie handfest wirkende Frau, die mit dem Internisten Josef Weiß verheiratet war, der seine Praxis im ersten Stock hatte. Er war ein begeisterter Pianist, der sich am liebsten im weißen Anzug vors Piano setzte. „Ein illustres Paar“, meinte Carr. Nun heißt es Abschied nehmen von der Frau, die über Jahrzehnte das Starnberger Geschäftsleben prägte. Wie es mit dem Haus, das unter Denkmalschutz steht, weitergeht, ist noch nicht geklärt.Kinder gibt es keine, aber Erben sind vorhanden. Viele wünschen sich, dass das Kaufhaus Biller weiter mit kulturellem Leben erfüllt wird.
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