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Musikalische Spurensuche

Geschichten, Geheimnisse, Skandale am Starnberger See

Christian Lehmann kennt sich mit der Musikgeschichte am Starnberger See aus wie kein anderer. (Bild: privat)

Der Starnberger See hat Musikgeschichte geschrieben. Zahlreiche Komponisten waren hier im Lauf der Jahrhunderte zu Gast und fanden neben der Erholung die notwendige Inspiration für ihre Arbeit. „Herrliche Naturerscheinung“, so überschwänglich äußerte sich etwa Carl Maria von Weber über den Sturm, der während einer Heimfahrt mit dem Fischerboot heraufgezogen war. Heil wieder an Land gelangt, setzte er sich gleich hin, um die unheilvolle Stimmung in einem Musikstück einzufangen.

Johannes Brahms, der gern in Tutzing Quartier nahm, kannte nichts Schöneres, als im Sommer um fünf Uhr für ein morgendliches Bad ins Wasser zu steigen oder tagsüber mit dem Kahn hinauszurudern. Unter dem Eindruck des intensiven Naturerlebnisses entstanden bewunderte Kompositionen, darunter sein vertontes Gedicht „Blauer Himmel blaue Wogen“. Und so heißt auch das auf einem Uniseminar fußende neue Buch des Starnberger Musikwissenschaftlers und Dozenten Dr. Christian Lehmann.

Wendepunkte im Leben

Mit zum Teil überraschenden Ergebnissen. „Für viele Komponisten fiel ihr Aufenthalt mit einer entscheidenden Lebensphase zusammen“, so Lehmann, der in einem Buchvorgänger schon Joseph Leoni nachgespürt hat. Prominentestes Beispiel ist wahrscheinlich Richard Wagner, der für eine der skandalösesten Liebesgeschichten aller Zeiten sorgte, indem er mit der verheirateten und 24 Jahre jüngeren Cosima von Bülow anbandelte. Die beiden hatten sich in Wagners Schlafzimmer eingesperrt, während der gehörnte Ehemann draußen vor der Tür tobte, erinnert sich Diener Franz. Pünktlich neun Monate später kam das erste Kind zur Welt. Fruchtbar war aber auch die musikalische Tätigkeit Wagners in seinem Sommersitz, der heute zum Schulgelände des Gymnasiums Kempfenhausen gehört, denn es entstand das berühmte „Siegfried-Idyll“. Als Leser würde man sich das jetzt am liebsten gleich noch mal anhören. Das dachte sich auch der Autor, der deshalb eine Spotify-Liste mit den vom Starnberger See geprägten Kompositionen erstellte, zu der man ganz unkompliziert über einen QR-Code im Buch gelangt.

Wagner und Brahms

Natürlich dürfen auch bekannte Namen in dem handlichen Musik-Wanderführer, der über den Buchhandel oder direkt beim Perchaer Apelles-Verlag erhältlich ist, nicht fehlen: wie das Tutzinger Opernsängerehepaar Vogl, der musizierende Sisi-Vater Herzog Max oder Richard Strauss, der in Feldafing seine zukünftige Frau kennenlernte.

Und auch in Musikerbiografien ansonsten sattelfeste Leser erfahren Neues. So begegneten sich etwa die beiden Avantgarde-Künstler Arnold Schönberg und Wassily Kandinsky 1911 zum ersten Mal auf dem Dampfersteg in Berg. Der Maler war aus Murnau angereist, der Komponist hatte sich in Berg eingemietet. „Ich kam mit dem Dampfer und kurzer Lederhose an und sah eine schwarz-weiße Grafik“, erinnert sich Kandinsky in einem Brief an Schönberg. „Sie waren ganz weiß angezogen und nur das Gesicht war tief schwarz.“

Mozart und Maus

In der Musikwelt gibt es die Legende, nach der das Wunderkind Mozart bei einer Stippvisite im Kloster Bernried zum Andenken einen kleinen Kanon im Gästebuch der Mönche hinterlassen haben soll. Ob das mit Mozarts Besuch nun stimmt oder nicht, weiß auch Lehmann nicht. Aber er weist schlüssig nach, dass die Geschichte nicht die Erfindung eines geschäftstüchtigen Journalisten um 1900 war, sondern schon Jahrzehnte früher kursierte. „Es bleibt offen“, so der Musikwissenschaftler.

Auch einige der berühmtesten Titelmelodien der deutschen Fernsehgeschichte sind am Starnberger See entstanden. Die Rede ist von der unsterblichen „Sendung mit der Maus“ oder von dem legendären ZDF-Vierteiler „Der Seewolf“. Sie stammen aus der Feder des bekannten Filmkomponisten Hans Posegga. Dass er 1970 ein Haus für seine Familie im Berger Ortsteil Assenhausen baute, soll vor allem daran gelegen haben, dass er Tag und Nacht Klavier spielen, aber andere nicht stören wollte.

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