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Rubrik: Gesamt · Ort: fuenfseenland
Kunstspektakel ist Stadtgespräch
Die magentagrelle "Wiege von Starnberg" sorgt für Wirbel
Ganz schön cool oder einfach nur schrill – da gehen die Meinungen auseinander. Ein Hingucker ist die neue Kunstinstallation aber allemal. Eine Rampe mit 45 Stufen, eine Tribüne mit Panoramablick? Ach was, ein Höhenrausch in knalligem Magenta als Kampfansage gegen graues Brachgelände mitten in der Stadt. Aktionskünstler Andreas Sarow ist mit einem spektakulären Kunstwerk bereits zum zweiten Mal in Starnberg zu Gast, nachdem er bereits 2019 mit seinem Kanonenhaus „Die letzte Bastion“ für mächtig Wirbel gesorgt hat.
„Die Wiege von Starnberg“ heißt das neue Werk an der Bahnhofstraße, wo vorher ein trister Parkplatz und eine Imbissbude untergebracht waren. Bei dem Titel hat sich der Pforzheimer Künstler viel gedacht. Er will Neugier erwecken auf das, was dahinter ist, nämlich das uralte Lochmann-Haus. „Es liegt sehr versteckt“, erklärte Sarow bei der Einweihung. Einen Ort den man sonst nicht wahrgenommen hat. Das soll sich ändern. Überhaupt will er neue Perspektiven auf die Stadt schaffen. Wer die zehn Meter hohe Tribüne erklimmt, hat über den Bahndamm hinweg den besten Blick auf den See.
Brachgelände aufwerten
Bürgermeister Patrick Janik findet es gut, was hier gerade passiert. „Die Ecke hier galt als Schmuddelecke und war der Spitzenlage nicht angemessen“ sagte er. „Ich bin froh, dass es Entwicklungen gibt.“ Dass das Riesenteil nicht allen gefällt, habe er schon gemerkt. Es gab Beschwerden im Rathaus. Der Bürgermeister sieht das locker. „Kunst im öffentlichen Raum darf schon mal auffällig sein und polarisieren.“ Zumal die magentafarbene Schanze nicht für immer stehen bleibt, wie mancher Anrufer befürchtete. Denn das Grundstück gehört den Projektentwicklern Ehret und Klein, die dort ein neues Bauvorhaben verwirklichen wollen.
Weil den Unternehmern das „Kanonenhaus“ so gefiel, gaben sie Sarow den Auftrag, das Brachgelände temporär mit farbenkräftiger Kunst aufzuwerten. Etwa ein bis eineinhalb Jahre soll die „Wiege von Starnberg“ stehen bleiben und werde dann rückgebaut, erklärte Michael Ehret dazu. Mit der künstlerischen Zwischennutzung solle der klassische Reihenfolge von Bau, Nutzung und Abriss unterbrochen werden. Wie die endgültigen Pläne – die den Bewohnern des dahinterliegenden Mietshauses aus den 1950er Jahren zumindest teilweise den Blick verbauen dürften – für das Areal aussehen, ist noch nicht bekannt. „Wir wissen noch nicht final, was hier entwickelt wird“, so Ehret.
Öffentlich begehbar
Architekt und Künstler Andreas Sarow verriet, dass die Aufgabe für ihn eine Herausforderung war. „Es ist ein sehr schwieriger Ort, es ist laut und es ist sehr viel los“, sagte er. Mit sechs Leuten werkelte er vier Wochen lang an dem Projekt, an dem so viel Holz wie für ein Einfamilienhaus verbaut ist. Die knallige Farbe habe er ganz bewusst gewählt. Magenta sei zwar eine Grundfarbe in der Drucktechnik, aber käme nicht in der Natur vor. „Es durfte keine gefällige Farbe sein, und sie durfte nicht harmonisieren.“ Der lange Steg sei dafür da, die Besucher nach hinten zu locken. Wenn Bürger und Tagestouristen die Tribüne erklimmen, würden sie Teil der Installation. Denn zum ersten Mal ist eines der Kunstwerke des Architekten und Künstlers, der sonst auf die Verwandlung abbruchreifer Häuser spezialisiert ist, öffentlich begehbar. Gerechnet wird mit der Freigabe des Bauwerks in etwa einer Woche. Die Nutzungsgenehmigung vom Landratsamt sei auf dem Weg. Vom TÜV sei die „Wiege von Starnberg“ jedenfalls schon abgenommen, versichert Sarow.
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