Grünes Urgestein mit langem Atem
Peter Unger war 1979 der erste Grünen-Gemeinderat in ganz Bayern
40 Jahre ist es nun her, dass die Welt ein wenig grüner wurde. Peter Unger, 74, war aber nicht nur der erste grüne Gemeinderat in Gilching, sondern auch im Landkreis und in ganz Bayern. Dass Unger zum politischen Urgestein gehört, bekräftigten die Parteifreunde zum Jubiläum mit einem symbolischen Felsbrocken.
Herr Unger, wie kamen Sie zu den Grünen?
Peter Unger: Ich war seit 1978 SPD-Gemeinderat in Gilching. Aber ökologische Themen waren den Genossen fremd, das störte mich. Eine Zeitlang überlegte ich sogar, eine eigene Partei aufzumachen. Aber dann bekam ich zufällig ein Papier von den Vorläufer-Grünen in die Hand. Da stand genau drin, was mir auch wichtig war. 1979 schloss ich mich offiziell den Grünen an.
Und Sie liefen in Turnschuhen im Gemeinderat ein, so wie Joschka Fischer in den Bundestag?
Na klar hatte ich Turnschuhe an, unter den Grünen waren ja viele junge Leute.
Wie war das politische Klima damals als einziger Grüner im Gemeinderat?
Da gab es viel Gegenwind, weil ich unbequem war. Meine Anträge wurden alle gnadenlos niedergebügelt. Bei einem Lehrgang des Bayerischen Selbstverwaltungskollegs, bei dem ich dabei war, wurde von einem Referenten vor der kommenden grünen Gefahr gewarnt. Ich hab dann gesagt, die Warnung kommt zu spät, die grüne Gefahr sitzt bereits vor Ihnen.
Um welche Themen ging es vor 40 Jahren?
Schon ganz früh habe ich darum gekämpft, dass Gilching und andere Gemeinden von den großen Energiekonzernen unabhängig werden, aus deren Knebelverträgen aussteigen, die Stromnetze übernehmen und die dezentrale Energieversorgung aufbauen. Einer meiner ersten Anträge war außerdem der Bau eines Radwegenetzes. Da haben sie sich auf die Schenkel geklopft vor Lachen, weil es ihnen das so absurd erschien, dass es eigene Fahrradwege geben sollte. Tumultartige Szenen gab es auch bei meinem Vorschlag, dass sich die Gemeinde im Gegenzug für die Ausweisung von neuem Baurecht einen Teil des Baugrundes für den sozialen Wohnungsbau abtreten lassen soll. „Die Kommune ist doch kein Erpresser“ und außerdem „sei das verfassungswidrig“, hieß es damals.
Und was ist daraus geworden?
Es gab härteste Auseinandersetzungen, aber bei vielem ist die Gemeinde jetzt in der Spur. Als Erfolg verbuche ich, dass die Gemeinde sich demnächst mit der Stromnetzübernahme befasst. Eine dezentrale Energieversorgung ist im Entstehen und es gibt auch Blockheizkraftwerke. Das kommunale Baulandmodell gibt es sogar schon seit 1982, und in einigen neuen Baugebieten hat die Gemeinde bei der Schaffung von neuem Baurecht Grundstücke umsonst bekommen. Das geht auf meinen Antrag zurück. Ärgerlich ist es, dass wir mit der Gleichberechtigung von Fußgängern und Radlern mit den Autofahrern noch nicht weiter sind.
Die Zeit ist jetzt also reif für die Grünen?
Dazu erzähle ich jetzt etwas Lustiges. Ich habe mir den Spaß erlaubt und manche meiner ganz alten Anträge rausgeholt und nochmal gestellt. In den 1980er Jahren ging es zum Beispiel um die Begrünung des Aubachs. Der Antrag wurde in Bausch und Bogen abgelehnt. Vor zwei Jahren habe ich den Antrag mit dem exakt gleichen Wortlaut noch einmal gestellt und jetzt wurde er einstimmig befürwortet.
Die Grünen sind auf einem Höhenflug. Wie fühlen Sie sich nach 40 Jahren Pionierarbeit?
Es ist schon so etwas wie eine Belohnung. Die Themen, die ewig abgeschmettert wurden, werden jetzt ernst genommen – Beispiel Bienensterben und Klimawandel. Man sieht immer wieder, dass die Bevölkerung in vielen Bereichen weiter ist als die Politik. Die etablierten Parteien haben Angst, Wähler zu verlieren und sind gezwungen zu handeln.
Wann bekommt Deutschland den ersten grünen Bundeskanzler?
Das kann sehr schnell gehen!
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