Gedenken gegen das Vergessen
Ukraine-Krieg macht Erinnerung besonders eindringlich
Die Gedenkstunde zur Erinnerung an den Todesmarsch Dachau war angesichts des Ukraine-Kriegs aktueller und bedrückender denn je. 77 Jahre ist es her, dass sich nach der Auflösung des Konzentrationslagers Ende April ein Zug von 7.000 erschöpften, halb verhungerten Elendsgestalten durch Starnberg schleppte. Sie waren verfolgt und inhaftiert worden, nur weil sie anders dachten und anders glaubten, als es der Nazi-Ideologie entsprach.
Rund 70 Menschen haben sich am Sonntag am Pilgrim-Mahnmal vor dem Landratsamt Starnberg versammelt. Zwei Jahre lang war wegen Corona die Veranstaltung nur in kleinstem Rahmen möglich gewesen. „Das Erinnern und Gedenken ist das Mindeste, was wir für die Opfer und Angehörigen noch tun können“, sagte Rainer Hange, der als Gründungsmitglied des Starnberger Dialogs und Mitglied des Vereines „Gegen Vergessen – für Demokratie“ die Veranstaltung seit elf Jahren organisiert. „Viele würden zwar gern vergessen, was damals geschah, aber ein Vergessen darf es nicht geben.“ Der Ukraine-Krieg zeige deutlich, dass sich „Herr Putin und seine Vasallen wohl nicht mehr an den Zweiten Weltkrieg mit den vielen Toten und Ermordeten erinnern wollen“. Auch Landrat Stefan Frey fand starke Worte. Dass sich nun nach einer relativ kurzen friedlichen Zeitspanne nach dem Zweiten Weltkrieg Geschichte wiederhole und „Menschen erschossen und vertrieben werden“, sei unfassbar. „Eigentlich müsste man aufschreien“, sagte Frey angesichts des unbegreiflichen Unrechts, das gerade in der Ukraine geschieht. Er erinnerte an die friedensstiftenden Werte der Demokratie. „Von einer Demokratie ist in diesem Jahrhundert noch kein Angriffskrieg ausgegangen“, so der Landrat, der gleichzeitig mahnte: „Diktatoren, die meinen, dass Demokratien schwach sind, werden eines Besseren belehrt werden.“ Frey erinnerte auch an die betagten Zeitzeugen, bei denen nun die traumatischen Erinnerungen an den Krieg wieder hochkämen. Auch mit seinem unlängst verstorbenen Vater habe er noch einmal darüber gesprochen.
Aufruf zum Frieden
Zum Frieden riefen auch der katholische Pfarrer Tamas Czopf, Micaela Graf von der israelitischen Kultusgemeinde in München sowie der evangelische Pfarrer Johannes de Fallois auf. Letzterer erinnerte an das Schicksal des Ukrainers Boris Romantschenko. Dieser hatte als junger Mann Zwangsarbeit und mehrere NS-Konzentrationslager überlebt, nur um als Greis noch in Charkiw ein Opfer des russischen Angriffskriegs zu werden. „Dann stirbt dieser Mensch ausgerechnet durch russische Raketen, obwohl es Russen waren, die so viele Konzentrationslager befreit haben“, zeigte er sich bewegt. Starnbergs Zweite Bürgermeisterin Angelika Kammerl warnte davor, nicht aus Bequemlichkeit der Auseinandersetzung mit der Erinnerung aus dem Weg zu gehen. Musikalisch einfühlsam begleitet wurde die Gedenkfeier von Stefan Komarek an der Klarinette. Anschließend wurde die Ausstellung „Euthanasie im Landkreis Starnberg“ im Landratsamt eröffnet. Sie beruht auf den Forschungen der Herrschingerin Dr. Friederike Hellerer und thematisiert die Entwicklungen im Dritten Reich, die zur Ermordung von Patienten in Heil- und Pflegeanstalten führten. Anhand ausgewählter Biografien wird das Schicksal der rund 50 ermordeten Menschen illustriert, die im Landkreis davon betroffen waren (Bericht folgt).
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