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Rubrik: Gesamt · Ort: fuenfseenland
Ein Schwindel vor fast 100 Jahren
Der "Goldmacher" Tausend in Gilching
"Goldmacherweg" steht auf einem Straßenschild in Gilching. Wer's sieht, denkt mit einem Fragezeichen weiter. Manche kurz, viele etwas länger.
Es war einmal: Vor 100 Jahren gabs ein Munkeln und Raunen in Gilching. Geheim tue sich was oben im Steinbergwald. Etwas zum Goldmachen. Vielleicht sollte man davon lieber nicht zu viel wissen.
Was sich damals auf dem Steinberg Besonderes getan hat, darüber ist mehrfach geschrieben worden. Zu Anfang erzähle auch ich heute von den Geschehnissen ums Goldmachen in Gilching:
Es war einmal
Es war 1924, als ein Fremder, ausgerechnet mit dem Namen Tausend, am Steinberg mit Frau ein Haus bezogen hat. Nicht weit von seinem Domizil begann er versteckt im Steinbergwald oben eine "Goldküche" zu errichten. Viel mehr als küchengroß wurde aber das Gebäude. Ein Schmelzkessel für chemische Mischungen kam hinein; daneben Reihen von Reagenzgläsern in Regalen.
Prominente und Banken hatten in der Notzeit nach der vernichtenden Geldentwertung Tausend vertraut, er könne nach einer speziellen Rezeptur Gold herstellen. Vorsichtshalber hatte man, bevor Geld in eine gegründete Gesellschaft floss, sachverständige Beurteilungen eingeholt. Diese hatten ergeben, die entsprechenden Nachweise Tausends seien vielversprechend. Es gab grünes Licht.
Bald reisten finanziell Beteiligte an, teils in sehr vornehmen Automobilen mit Chauffeur. Sie wollten sich von Tausends Goldkünsten selbst überzeugen. Bei mehreren Vorführungen hatte Tausend den Geldanlegern zeigen können, dass im Schmelztiegel in seinem Gemisch jeweils ein Goldklümpchen entstanden war. Im Goldfieber wurden sich die Investoren einig, weiteres Geld für eine leistungsfähige Fabrikationsanlage andernorts einzusetzen.
Anderes im Sinn
Tausend aber hatte ganz anderes im Sinn. Das neu eingegangene Geld verwendete er zum Kauf privater Immobilien, so auch eines Schlossgutes für die Familie. Der prominente Gesellschafter Ludendorff, ein ehemaliger oberster General und Reichstagsabgeordneter, stieg aus und ließ sich seine Beteiligung auszahlen
Für eine weitere Vorführung der Goldgewinnung wurde vereinbart, dass sich alle Teilnehmer bis auf das Allernötigste ausziehen. Jeder Schwindel bei der Golderzeugung sollte ausgeschlossen werden.
Nun kam es für Tausend zur Katastrophe: Dem scharfen Blick eines italienischen Professors war nicht entgangen, dass Tausend etwas Goldenes in den Schmelztiegel hineinschwindelte. Tausend wurde darauf später verhaftet. Von einem Strafgericht wurde der "Goldmacher" verurteilt. Viele Jahre musste er wegen seiner Betrügereien in Gefangenschaft verbüßen.
Wenige Überreste am Steilhang
Wie Unwirkliches, nebelhaft Überliefertes kann die Goldmachergeschichte anmuten. Jedoch gibt es zu dieser Geschichte jetzt noch Anfassbares; wenige bauliche Überreste unterhalb des Steilhangs, über dem die Goldmacherwerkstätte einst gestanden hatte: ein kaminkopfartiges Betonteil mit Ziegelresten und einem kurzen, abgebrochenen Steinzeugrohr in der Mitte; ein weit aus dem Boden ragendes krummes und gesprengtes Eisenrohr (es reicht vermutlich zu einer tieferen wasserführenden Schicht); eine Abwassergrube aus Betonringen.
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