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Rubrik: Gesamt · Ort: fuenfseenland
Ein Fotojahr am Weßlinger See
Das gleiche Motiv und doch so unterschiedlich
Viel Bewegung, täglich mindestens 45 Minuten, hatte der Arzt der Frau von Christian Frodl verordnet. „Was bietet sich da besser an, als ein täglicher Spaziergang um den See“, so der Weßlinger. Damit begann ein einzigartiges Projekt, das ein Jahr lang dauern sollte. Frodl begann nämlich bei den Spaziergängen, den Weßlinger See täglich von der gleichen Perspektive aus zu fotografieren. Am Ufer vor der Gemeindegalerie stellte er sich dazu ganz dicht hinter eine Parkbank, stellte das Gitternetz in seiner Kamera ein und zählte im Sucher fünf Kästchen nach oben und drei nach links. Sein Motiv war der kleine Steg, ein Ast, das Wasser und auf der gegenüberliegenden Seite des Weßlinger Sees die kleinen Badehäuser. Zuhause beim Sichten der Fotos stellten der PR-Fachwirt und die Mediengestalterin fest, dass sie statt des immer gleichen Fotos sehr unterschiedliche bekommen hatten. Zwar war das Motiv immer das gleiche, doch die Stimmung am See, die Jahreszeiten und das Spiel von Wind, Wolken, Sonne, Regen und Schnee hatten die Szenerie oft komplett verändert und aus einer spiegelglatten Wasseroberfläche mit strahlend blauem Wasser wurde eine durch Windböen aufgepeitschte düstere Wellenlandschaft. „Schnell wurde sichtbar, was man normalerweise nicht richtig wahrnimmt und was die Natur alles anstellt in den vier Jahreszeiten. Der ewige Kreislauf von Werden und Vergehen. Manche Tage scheinen gleich, und doch ist jeder etwas anders. Kein Tagesbild gleicht dem anderen“, resümierte Frodl. Mit der Zeit hatten die beiden ihre Wahrnehmung geschärft. Da machte es einen großen Unterschied, wenn einmal ein Pfahl nicht mehr im Wasser steckte oder wenn ein Küken einer Schwanenfamilie fehlte.
Ein ganzes Jahr lang täglich zur ähnlichen Zeit am selben Ort zu fotografieren, stellte sich als Herausforderung heraus, die gar nicht so leicht zu erfüllen war. Schließlich musste sich der ganze Alltag mit allen Einladungen, Terminen und Urlaubsplänen Frodls Projekt unterordnen. Fünf Bilder fehlen deswegen im Jahreszyklus. Dreimal war der kleine Steg den ganzen Tag lang von vielen Badegästen belegt, doch die wollte Frodl nicht auf seinen beschaulichen Landschaftsfotos haben.
4,5-minütiger Film aus den Einzelbildern
In dem einen Jahr haben die beiden Spaziergänger am See viele Begegnungen mit Menschen gehabt. Oft wären sie auf das Fotografieren angesprochen worden. Deswegen hatte Frodl nach ein paar Monaten eine Postkarte mit verschiedenen Seemotiven drucken lassen und kostenlos verteilt. Quasi wie im Zeitraffer sieht man darauf den See im Wechsel der Jahreszeiten. Die ersten Postkarten mit neun Bildmotiven in einer Auflage von 1.000 Stück waren im Nu vergriffen. Am Ende des Projektjahrs hat Frodl eine weitere mit zwölf Bildchen drucken lassen, die kostenfrei erhältlich ist. „Die Druckkosten waren gar nicht so teuer“, erinnert sich Frodl. Und es gibt im Internet einen 4,5-minütigen Film, der aus den Einzelbildern zusammen gestellt wurde (www.WesslingerSeeBilder.de). Außerdem steht seit kurzem im Garten der Gemeindegalerie eine große Bildtafel mit verschiedenen Seemotiven samt dazugehöriger Erklärung des Projekts.
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