5-Seend Wochenanzeiger Wir sind Ihr Wochenblatt für das Fünfseenland

Der mühsame Kampf um Teilhabe

Die ARGE feiert 40 Jahre - viel wurde erreicht

Das erste Bild des im Oktober neu gewählten Vorstands der ARGE: Links vorne Nico Wunderle (Stellvertreter), dahinter Elisabeth Fuchsenberger (Schriftführerin), dann von links nach rechts Willi Neuner (Beisitzer), Claus Angerbauer (1.Vorsitzender), Maximilian Mayer (Behindertenbeauftragter), Bärbel Seibold (Stellvertreterin), Anna Ottermann (Beisitzerin) und Regina Klusch (Beisitzerin). (Bild: Arge)

1980, das war das Jahr des sogenannten „Frankfurter Behindertenurteils“. Das Gericht sprach einer Urlauberin eine Reisepreisminderung zu, weil der Anblick von im gleichen Hotel untergebrachten Behinderten zu einer "Störung des Urlaubsgenusses" führte. Auch wenn seitdem 40 Jahre vergangen sind, Veronika Seidl hat für dieses Urteil, das auch noch „im Namen des Volkes“ erging, nur folgende Worte: „Schändlich und unfassbar.“

Gründung 1980

Es ist zwar immer noch ein mühsamer Kampf um die Inklusion, aber seit 1980 hat sich dennoch enorm viel getan. Im Landkreis Starnberg ist dies vor allem der Arbeitsgemeinschaft für Behindertenfragen (ARGE) zu verdanken. Auf der vom letzten Jahr nachgeholten Jubiläumsfeier, die per Livestream übertragen wurde, gab die langjährige Vorsitzende Veronika Seidl, deren Nachfolger Claus Angerbauer ist, einen eindrucksvollen Rückblick auf 40 Jahre ARGE und das Erreichte. 1980 gründete die charismatische Kommunalpolitikerin Ingeborg Bäss die ARGE.

Ingeborg Bäss

Ziel war es, Menschen mit Behinderung, deren Angehörige, Behinderten-Verbände, Engagierte, aber auch politische Entscheidungsträger in einer Interessengemeinschaft zusammenzuführen. In verschiedenen Arbeitsprozessen werden die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen gesammelt und definiert. Damals rangierten deren Belange ganz weit hinten. Sie wurden als Objekte der Fürsorge, nicht als gleichberechtigte Bürger wahrgenommen. „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert“, so schilderten damals viele Betroffene ihre Situation.

Die ARGE unter ihrer ersten Vorsitzenden Ingeborg Bäss kämpfte für mehr Rechte. Einer der größten ersten Erfolge war 1992 die Verabschiedung des kommunalen Behinderten- und Altenplans für die Gemeinden im Landkreis. 1997 führte der Landkreis einen Behindertenbeirat zusammen mit der ARGE ein, die als offizielles Organ anerkannt und Ingeborg Bäss als erste Behindertenbeauftragte anerkannt wurde – eine Interessensvertretung mit deutlich mehr Schlagkraft. Auch im Grundgesetz und auf Bundesebene zogen die Gesetze nach, auch wenn man ehrlicherweise sagen muss, dass es ein langer Weg von der Gleichstellung auf dem Papier bis zur Umsetzung im Alltag ist. 2001 gab es eine große Demo in Starnberg unter dem Motto „Gleichstellung jetzt“.

Barriere in den Köpfen muss weg

2015 schließlich verabschiedete der Kreistag den Aktionsplan „Gemeinsam stärker“, ein weiterer wesentlicher Schritt. Seitdem gibt es einen hauptamtlichen Behindertenbeauftragten im Landratsamt und die Arge hat den Zusatz Inklusionsbeirat erhalten, womit das Anhörungsrecht in allen Ausschüssen des Kreistags verbunden ist. „Was ist normal, was ist Behinderung, wie gehen wir damit um und wie wollen wir zusammenleben?“ Das sind die großen Themen der Inklusion, damals wie heute. Sie ist und bleibt auch nach 40 Jahren ein gesellschaftlicher Auftrag, so der Vorsitzende Claus Angerbauer, der selbst mit 35 Jahren erblindet ist. Betroffene und Engagierte berichten immer noch von Problemen und Barrieren in vielen gesellschaftlichen Bereichen, gerade wenn es sich um inklusive Bildung und die Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt handelt. Die Arbeit der ARGE geht weiter. Erst wenn die Barrieren in den Köpfen schmelzen „wie Butter in der Frühlingssonne“, so sagte es Angerbauer einmal treffend, ist ihr Ziel erreicht.

Startseite Anzeige aufgeben Zeitung online lesen Jobs Kontakt Facebook Anfahrt