Damals in Karlsruhe: Protest im Strickpulli
Als einer der Grünen-Gründungsväter war Peter Unger vor 40 Jahren dabei
Strickende Frauen mit Lamapullis und Wallehaaren, Männer mit Vollbärten und Birkenstocklatschen, stillende Mütter und Kinder, die in den Gängen herumwuselten, dazu überall Atomkraft-Nein-Danke-Sticker und die berühmte Sonnenblume. Ja, so sahen sie damals am 13. Januar 1980 wirklich aus, die ersten Grünen. Vierzig Jahre ist es jetzt her, dass sich 1.000 Menschen in der Karlsruher Stadthalle versammelten und die Partei „Die Grünen“ gründeten. Einer von ihnen war Peter Unger aus Gilching. Das Grünen-Gründungsmitglied ist erster Gemeinderat der Grünen in Bayern, seit 42 Jahren im Gilchinger Gemeinderat und fast 24 Jahren im Starnberger Kreistag.
"Die lösen sich bald wieder auf"
An den 13. Januar 1980 hat er noch lebhafte Erinnerungen. Mit großen Erwartungen reiste der damals 35-Jährige an, zusammen mit der zweiten stimmberechtigten Delegierten aus dem Landkreis Starnberg, der inzwischen verstorbenen Starnberger Gymnasiallehrerin Sieglinde Gerndt. Trotz Minustemperaturen draußen sei es in der Halle umso heißer hergegangen. Es trafen völlig unterschiedliche Menschen aufeinander, erinnert sich der Zeitzeuge. „Es war ein total bunter Haufen: Ökos im Wollpulli, Atomkraftgegner, Fraueninitiativen, viele Leute aus der Friedensbewegung, linke Studenten, aber auch ganz konservative umweltbewegte Anzugträger.“ Einerseits habe eine faszinierende Aufbruchstimmung geherrscht: „Einig waren wir uns alle, dass wir den etablierten Parteien etwas Neues entgegensetzen wollten.“ Auf der anderen Seite regierte das Chaos. „Wer wollte, durfte sich zu Wort melden.“ Jede Gruppe habe versucht, Einfluss zu gewinnen und sich durchzusetzen. Die Delegierten verstrickten sich in ausschweifenden Wortbeiträgen und erbitterten Abstimmungsgefechten. Zum Schluss wurde der kleinste gemeinsame Nenner mit dem Slogan „Ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei“ gefunden. Manchen schien es ein Wunder, dass es tatsächlich zur Gründung der Bundespartei gekommen war. „Nach der Schlussabstimmung lagen wir uns alle in den Armen, bei einigen flossen sogar Tränen“, so Unger. Niemand habe damals mit dem späteren großen Erfolg gerechnet. Der Einzug in den Bundestag scheiterte 1980 mit gerade einmal 1,5 Prozent der Wähler-Stimmen. Doch nach den Wahlen 1983 zogen die ersten Grünen mit 5,6 Prozent ins Parlament ein. Damals aber seien sich alle Beobachter des Gründungsparteitags einig gewesen: Das wird nichts, die lösen sich bald wieder auf. Und weil in den Medien vor allem von den chaotischen Zuständen berichtet wurde, hätten alle die Entstehung einer extrem linken Partei befürchtet. Die Grünen wurden als „Bürgerschreck“ von vielen mit Skepsis betrachtet, ja offen angefeindet.
Plakate wurden verstellt
So stieß denn auch der Wahlkampf der ersten Grünen in Gilching auf erbitterte Gegner. „Es wurden viele Plakate kaputtgemacht oder verstellt und weggeworfen“, erinnert sich Unger. Es sei schier unmöglich gewesen, die überall verstreuten Plakatständer wieder einzusammeln. Er habe dann aus Spaß den Aufruf gestartet, allen Findern eines Plakats einen Kaffee auszugeben. „Und so haben sich tatsächlich fünf Leute bei mir gemeldet und mit mir Kaffee getrunken."
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