"Tomaten im Weltall"
Fliegendes Gewächshaus in 600 km Höhe
Es klingt wie aus einem Science-Fiction-Film, ist aber Realität – bei der Mission des Deutschen Forschungszentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) „Eu:CROPIS“ sollen Tomaten im Weltall gezüchtet werden. Wenn das Experiment glückt, dann soll es für den Langzeiteinsatz von Astronauten angewandt werden, damit diese im All auch frisches Gemüse auf den Speiseplan bekommen. Das erfuhren die Besucher der Startveranstaltung auf der Besucherbrücke des Oberpfaffenhofener Raumfahrtkontrollzentrums. Hier hatten sich Wissenschaftler und Mitarbeiter der Mission zusammen gefunden, um die Liveübertragung des Starts der Trägerrakete von ihrer Basis in Kalifornien zu verfolgen.
Im DLR Oberpfaffenhofen hatten die Wissenschaftler kleine Plüschtomaten auf ihre Monitore gesetzt – ein ungewöhnlicher Anblick in der von Zahlen dominierten Welt der Raumfahrtingenieure. Nachdem der kühlschrankgroße Satellit in 600 Kilometern Höhe erfolgreich in seine Umlaufbahn gebracht worden war, kann der Versuch in der Schwerelosigkeit ein Gewächshaus zu betreiben, anlaufen
Schwerkraft des Mars simuliert
Im fliegenden Gewächshaus sollen aus Samen Tomaten werden. Es gibt zwei Versuche. Einmal soll durch Rotation die Schwerkraft wie sie auf dem Mond herrscht simuliert werden, beim anderen Mal die vom Mars. Dafür dreht sich der Satellit 20-mal beziehungsweise 32-mal pro Minute um seine Achse. Im Gewächshaus selbst herrschen „normale“ Druckverhältnisse – so wie sie auch bei bemannten Langzeitmissionen in Raumschiffen hergestellt werden würden. Gegossen und gedüngt werden die Pflanzen mit Urin, erklärte Jens Hauslage vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln, der vor sieben Jahren die Ideen entwickelt hatte.
Um die knappen Ressourcen im All zu schonen, haben die Wissenschaftler zwei biologische Systeme miteinander kombiniert. Die Grünalge (Euglena gracilis) produziert Sauerstoff und kann Ammoniakkonzentrationen aus dem Urin abbauen. Ein Bio-Filter soll den Urin in eine Nährstofflösung umwandeln. Mit LED-Licht wird der Tag-und-Nacht-Rhythmus simuliert. Der Wachstumserfolg wird mit Kameras aufgezeichnet und die Daten an das Kontrollzentrum geschickt.
In den nächsten Tagen wird das DLR in Oberpfaffenhofen zunächst den Satelliten ausrichten und dann das Gewächshaus von der Erde aus in Betrieb nehmen. Das Experiment soll insgesamt 62 Wochen dauern. Dieser Zeitraum entspricht in etwa einer fiktiven Reise durch das All zum Mars.
Übrigens: Auch für eine Anwendung auf der Erde soll das Experiment von Nutzen sein. „Wenn Urin in für Pflanzen nutzbare Nährstoffe und Frischwasser recycelt werden kann, lassen sich die Lebensbedingungen in Ballungsgebieten oder in extremen trinkwasserarmen Lebensräumen verbessern“, so die Hoffnungen der DLR-Wissenschaftler.
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