Töchter ohne Silbertablett
Endlich liegt die erste Biographie über Sisis Mutter Ludovica vor
Wer die „Sissi“-Filme kennt, weiß natürlich, wer Herzogin Ludovica ist. Doch sonst ist über die Mutter der weltberühmten Kaiserin von Österreich viel zu wenig bekannt. Und wenn, dann nicht viel Gutes. Lästermäuler haben lange eine wenig schmeichelhaftes Bild von Ludovica gezeichnet. Sie sei Zeit ihres Lebens (1808-1892) eine Kupplerin gewesen, die damals in Ischl ihre schönen Töchter Helene und Elisabeth dem jungen Kaiser geradezu „auf dem Silbertablett“ angeboten habe. Schlimmer noch: Sie sei depressiv, narzisstisch, voll innerer Leere und Renommiersucht.
„Falscher könnte ein Urteil nicht sein“, klärte Christian Sepp sein zahlreiches Publikum kürzlich in der Pöckinger Gemeindebücherei auf. Der Münchner Historiker, der als ein Experte für die Sisi-Familie gilt, hat mit seiner Biographie über „Ludovica – Sisis Mutter und ihr Jahrhundert“, das Bild der Herzogin revidiert und eine Lücke in der Geschichtsschreibung geschlossen. Sein Verdienst ist es, aus einem Gespinst an Getratsche und Gerede die wahre Ludovica herauszuschälen, die eine liebende Mutter war, eine alleingelassene Gattin, eine begeisterte Naturliebhaberin und vor allem der Mittelpunkt ihrer großen Familie.
Das Drama ihres Lebens
Sepp, der bereits über „Sophie Charlotte – Sisis leidenschaftliche Schwester“ ein Buch schrieb, hat mit der ersten Biographie der Kaiserinmutter ein spannendes, unterhaltsam zu lesendes Werk vorgelegt, zu dem das Possenhofener Kaiserin Elisabeth Museum einiges an Bildmaterial zugesteuert hat. Ludovica, Luise genannt, verbrachte als Tochter von König Max I. Josef eine unbeschwerte Kindheit. Die große Tragödie im Leben der jungen Frau war die unerfüllte Liebe zum portugiesischen Adeligen Dom Miguel, sie musste stattdessen ihren Kindheitsfreund Herzog Max heiraten. Ein geradezu filmreifes Drama spielte sich fünf Tage nach dem Hochzeitsfest ab – ein Bote mit dem Heiratsantrag Miguels traf ein, der inzwischen König von Portugal geworden war. Die Ehe mit Herzog Max war von Anfang an ein Fehlschlag, er war ein Herumtreiber mit vielen Affären, der weder viel Interesse an seiner Frau noch an seinen acht Kindern hatte. Historiker Sepp hat auch das Bild vom Herzog als liebender und fürsorglicher Vater überzeugend widerlegt. „Von morgens bis abends in Tränen zugebracht“, das war Ludovicas Tagebucheintrag an ihrem ersten Hochzeitstag.
Das 1834 gekaufte Schloss Possenhofen wurde ihre Zuflucht. In dem Landsitz inmitten der Natur verbrachte sie einen Großteil des Jahres fern von ihrem Mann, aber zusammen mit ihren Kindern – denen sie so liebenswerte Spitznamen wie Mapperl, Gackel, Lenza und Spatz gab – und für die sie gute Hauslehrer engagierte. So viel zu den Gerüchten um die ungebildet und ungezähmt aufwachsenden Herzogssprösslinge.
Dass Ludovica in der Überlieferung so schlecht wegkommt, hat sie wohl ihrem Ehemann zu verdanken. Denn Herzog Max langweilte sich mit ihr und seine abfälligen Bemerkungen sind von den Biographen weitergetragen worden. So jedenfalls die These Christian Sepps.
In Ischl lief alles ganz anders
Die Verlobung ihrer Tochter Sisi machte Ludovica große Sorgen, das geht aus den Briefen hervor. Sie befürchtete, dass die 15-Jährige dem Amt nicht gewachsen sei. „Eine Heiratspolitik Ludovicas hat es nie gegeben“, ist sich der Historiker sicher, der in keiner Zeile einen Hinweis darauf gefunden haben will und gerade die Reise zum legendären Kaisergeburtstag in Ischl als Beispiel anführt. Ludovica und ihre Töchter erschienen mit zwei Stunden Verspätung, weil sie Kopfweh hatten, und in pechschwarzer Kleidung, anstatt sich in Schale zu werfen – sie hatten unterwegs einen Kondolenzbesuch gemacht. Nicht unbedingt das Verhalten, was man bei einer von langer Hand geplanten Brautschau erwarten würde. „Wenn Sie das nächste Mal die Sissi-Filme im Fernsehen sehen, dann kennen Sie die wahre Geschichte“, verabschiedete Christian Sepp seine Zuhörer.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH