Apotheker – deutlich mehr als Aspirin-Verkäufer
Die Corona-Herausforderungen haben unsere Gesellschaft nahezu komplett im Griff. Und mit diesen so besonderen Umständen sind diverse Berufe und Berufsgruppen wieder ein Stück weit in den Fokus besonderer Aufmerksamkeit gerückt, unter anderem Apotheken. Stellvertretend für viele Apotheken haben wir mit Dr. Stefan Hartmann gesprochen:
Flächendeckend und immer da
Corona hat es wieder ins Bewusstsein gerückt: Gesundheit ist im Grunde das höchste Gut. Und einen Gutteil zur Versorgung der Bevölkerung mit den gegebenenfalls dazu nötigen Medikamenten tragen ja die Apotheken bei. Was hat sich „seit Corona“ für Sie persönlich und Ihre Mitarbeiter als Apotheker geändert?
Dr. Stefan Hartmann: Die Bevölkerung hat in dieser Zeit erkannt, wie wichtig ein flächendeckendes Netz stationärer Apotheken in Deutschland ist. Die Apothekenmitarbeiter sind an 365 Tagen im Jahr für die Patienten da. Wir sind im Notdienst für unsere Patienten da, waren die ersten, die Desinfektionsmittel und Masken liefern konnten, und standen und stehen für unsere Patienten für alle Fragen rund um Arzneimittel, aber auch zu Corona sofort zur Verfügung. Die Medikamentenversorgung war zu jeder Zeit gewährleistet. Die Bedeutung der Apotheken und unsere Arbeit wurde und wird von vielen Patienten wieder gewertschätzt. Wir sind systemrelevant.
"Eine bessere Stelle gibt es nicht"
Viele Menschen, vor allem auch Ältere, sind bei verschiedenen Ärzten parallel in Behandlung. Das reicht vom sog. Praktischen Arzt bis zu den diversen Fachärzten. Sie erhalten dort vielfach separat ausgestellte Rezepte. Können Sie als „Apotheke des Vertrauens“ eigentlich in einem solchen Fall auch als Clearing-Stelle fungieren?
Dr. Stefan Hartmann: Eine bessere Clearing-Stelle als die jeweilige „Hausapotheke“, die alle Medikationsdaten unserer Patienten DSGVO-konform speichern kann, gibt es nicht.
Alternativen, die passen
Manchmal verlieren Patienten, die häufig ja sogar täglich mehrere Medikamente zu sich nehmen sollen, regelrecht den Überblick über die richtigen Dosierungen und Angehörige können als Laien da oft nur bedingt helfen. Inwieweit können Sie da unterstützend agieren, vor allem, wenn eines der wirklich wichtigen Arzneimittel einmal kurzfristig fehlt?
Dr. Stefan Hartmann: Lieferengpässe nehmen seit einigen Jahren ständig zu. Ibuprofen wird derzeit noch in sechs Fabriken weltweit hergestellt. 13 versorgungsrelevante Wirkstoffe werden in der chinesischen Provinz Whuan (Ausbruch der Coronakrise) hergestellt. In unseren wohnortnahen Apotheken haben wir die Möglichkeit, ggfs. in Rücksprache mit dem verordneten Arzt, nach einem passenden alternativen und lieferbaren Arzneimittel zu suchen und innerhalb von drei Stunden zu besorgen. Die Zusammenarbeit mit unseren Ärzten klappt bestens. Die weitergehende Beratung zu Dosierungen und Fragen rund um das verordnete Arzneimittel ist unser Tagesgeschäft. Wir versuchen in Abstimmung mit unseren Ärzten, Lösungen auf all diese Fragen zu finden.
"Wir können mehr"
Eines der landläufigen Klischees ist ja, Ihren Beruf betreffend, dass Sie auch noch mischen und mixen und nicht nur „fertige“ Produkte verkaufen. Ist das wirklich noch so? Und wenn ja, welche Medikamente oder Arzneimittel betrifft das in allererster Linie?
Dr. Stefan Hartmann: In den ersten Monaten hatten unsere Apothekenlabore eine „systemrelevante“ Bedeutung. Bis Ende März haben wir alleine in der St.-Vitus-Apotheke insgesamt 237 Individualrezepturen für Kassenpatienten hergestellt (Salben, Tinkturen, Lösungen und Zäpfchen etc.). Hinzu kamen hunderte von Litern an Flächen- und Händedesinfektionsmitteln. Wir können mehr als wir dürfen.
Untereinander vernetzen
Wäre es nicht für Patienten sinnvoll, sich auf eine einzige Apotheke zu konzentrieren, weil dort die wichtigen und relevanten Informationen quasi gebündelt zusammenlaufen?
Dr. Stefan Hartmann: Derzeit ist das durchaus sinnvoll. Die Apothekerschaft arbeitet aber daran, die noch 19.000 stationären Apotheken untereinander zu vernetzen. Dann kann eine Beratung unserer Patienten noch besser und umfassender werden.
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