5-Seend Wochenanzeiger Wir sind Ihr Wochenblatt für das Fünfseenland

„Fatales Signal“

Stadtpolitik setzt sich ein: Auslaufendes Erbbaurecht verunsichert Mieter

Günstige Mieten ade: Weil die Erbpachtverträge vieler Eisenbahnergenossenschaften auslaufen, sind im gesamten Stadtgebiet tausende Wohnungen in Gefahr. (Bild: sb)

Weil wohl hunderte Wohnungen aus auslaufenden Erbbaurechten durch das Bundeseisenbahnvermögen (BEV) auf dem Grundstücksmarkt zu Höchstpreisen verkaufen werden sollen, hat sich nun auch Oberbürgermeister Dieter Reiter eingeschaltet und in einem Schreiben an den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, den Erhalt des preiswerten Wohnraums in München gefordert. Er habe unter anderem aus Mitteilungen der Baugenossenschaft München-West des Eisenbahnpersonals (EBG) erfahren, dass das BEV plant, die Wohnungen zu veräußern.

„Dies stellt eine finanzielle Herausforderung dar, der die EBG von Anfang an nicht gewachsen sein kann. Eine Genossenschaft, deren Ziel es ist, mittleren und unteren Einkommensschichten preiswerten Wohnraum anzubieten, kann nicht Kaufpreise zahlen, wie es sich sonst nur finanzkräftige und gewinnorientierte Nachfrager erlauben können“, erklärt Dieter Reiter. „Sollte dieser Weg weiterhin durch das Bundeseisenbahnvermögen und das federführend zuständige Bundesverkehrsministerium beschritten werden, ist die Vernichtung von weiteren hunderten Wohnungen nur eine Frage der Zeit.“ Auf einem mehr als angespannten Münchner Wohnungsmarkt bedeute dies nicht nur die dauerhafte Verdrängung der angestammten und Neuhausen prägenden Mieterschaft.

Es sei auch ein fatales politisches Signal, das ausgesendet wird, wenn sich eine staatliche und dem Bundesverkehrsministerium zugeordnete Einrichtung der Profitmaximierung und nicht dem sozialen Gedanken unterwerfe, erklärt der Oberbürgermeister, der nun Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer nach München einlädt, um „gemeinsam mit den Vertretern der Baugenossenschaft endlich eine sozialverträgliche und für alle Seiten zufriedenstellende Lösung zu erarbeiten.“

„Verdrängung der Menschen aus dem Viertel“

Auch in den Stadtratsfraktionen ist der geplante Verkauf der Wohnungen der Eisenbahnergenossenschaft Thema. „Seit vielen Jahren leben tausende Mieter in Genossenschaften ehemaliger Bundesunternehmen, deren Erbpacht bald ausläuft, in Unsicherheit“, erklärt etwa Grünen-Stadträtin Anna Hanusch, die Vorsitzende des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg (BA 9). „Die Verhandlungen mit dem Bund drehen sich seit vielen Jahren im Kreis.“ Falls die Verhandlungen mit dem Bund zu keinem tragbaren Ergebnis für die Genossenschaften führen, müsse die Stadt den Grund und Boden selbst kaufen. Nur so könne eine Verdrängung der Menschen aus dem Viertel verhindert werden. Die Grünen hatten sich mit einem Antrag an den Oberbürgermeister gewandt, damit dieser sich mit der Bundesregierung ins Benehmen setzt, um eine zeitnahe Lösung für die Genossenschaften zu finden.

„Der Bund muss handeln“

Auch die SPD appelliert an den Bundesverkehrsminister, endlich zu handeln und den Verkauf zum Höchstpreis zu stoppen: „Genossenschaftswohnungen zum Höchstpreis verschleudern, das geht nicht. Der Bund muss handeln“, betont Christian Müller, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. Andreas Scheuer dürfe nicht tatenlos zusehen, wenn günstiger Wohnraum vernichtet werde. „Bereits vor einem Monat haben ihn Briefe aus den Münchner Stadtvierteln erreicht – bisher hat er nichts dazu hören lassen.“ Aus Sicht der SPD-Stadtratsfraktion gibt es drei Möglichkeiten, den Wohnraum zu günstigen Preisen zu sichern. „Die erste ist, dass die Erbpacht zu den alten Konditionen verlängert wird. Die zweite wäre, dass der Bund seine Haushaltsordnung so ändert, dass das Bundeseisenbahnvermögen nicht zum Höchstpreis verkauft werden muss. Dann könnten die Wohnungen den Genossenschaften zu einem moderaten Preis angeboten werden. Sollte beides nicht möglich sein, könnte der Freistaat die Wohnanlagen kaufen.“

„Wohnungspolitische Katastrophe“

Und auch in der CSU-Stadtratsfraktion regt sich Widerstand. „Die Erbpachtverträge vieler Eisenbahnergenossenschaften laufen demnächst aus, die Wohnungen in Neuhausen sind erst der Anfang“, meint Richard Quaas. „Sollte die Bahn diese Wohnungen tatsächlich auf den Markt werfen, wäre das in München eine wohnungspolitische Katastrophe.“ Auch er fordert, dass sich der Oberbürgermeister beim Bundesfinanzminister und dem Deutschen Städtetag für eine Verlängerung der Verträge oder einen Verkauf an die Genossenschaften einsetzen soll. „Beides natürlich zu Preisen, die weiterhin günstige Mieten garantieren. Die angestammte Bevölkerung darf nicht vertrieben werden. Wir appellieren an Bahn und Bund, ihre Grundstücke unter sozialen Gesichtspunkten zu verwerten“, so der Innenstadtsprecher der CSU-Fraktion weiter. „Schließlich geht es nicht rein um Grundstücksgeschäfte, sondern um die Zukunft der Menschen, die dort teils seit Jahrzehnten wohnen.“

Startseite Anzeige aufgeben Zeitung online lesen Jobs Kontakt Facebook Anfahrt