"Wir können immer noch was tun, müssen aber jetzt sofort damit anfangen"
Sozialverträglicher Klimaschutz ist eigentlich eine einfache Sache, findet Thomas Koterba
Können sich Menschen in schwierigen Lebenslagen Klimaschutz und Nachhaltigkeit überhaupt leisten? Thomas Koterba ist Geschäftsführer Caritasverband für den Landkreis Weilheim-Schongau e.V. Er findet, dass nicht nur die Politik Antworten geben muss, sondern wir alle uns unserer Verantwortung stellen müssen. Er meint:
Damals wusste man es nicht anders
Es ist nicht so sehr die Frage, ob und welche Menschen in welchen Lebenslagen sich Klimaschutz und Nachhaltigkeit leisten können. Es ist auch für uns alle schon lange nicht mehr die Frage, ob wir das tun müssen. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe für uns alle, die Schöpfung, die wir zu treuen Händen bekommen haben, auch verantwortungsbewusst zu pflegen, um sie in die Hände der nächsten Generationen zu übergeben.
Die Menschheit betreibt seit bald zwei Jahrhunderten Raubbau an der Schöpfung. Man kann das den Generationen der industriellen Revolution nicht vorwerfen, damals wusste man es nicht anders. Im Gegenteil, nicht zuletzt dadurch wurde unter anderem der Wohlstand und der Reichtum begründet, der uns heute in die Lage versetzen sollte, die Anforderungen des Klimaschutzes und des nachhaltigen Umgangs mit den Ressourcen der Erde zu stemmen.
Endlich in die Puschen kommen
Seit über 50 Jahren aber mahnt uns die Wissenschaft von Jahr zu Jahr deutlicher, hier endlich in die Puschen zu kommen. Und hier beginnen die Probleme. Für die jetzige Generation ist es immer noch ein leichtes, sich zurückzulehnen und abzuwarten, da „mich das Ganze ja nicht mehr betrifft“. Ganz klassisch biblisch ausgedrückt: „Nach mir die Sintflut“. Leider agieren nach wie vor viel zu viele Politiker nach dieser Maxime und auch viel zu viele der Menschen, die auf Kosten des Großteils der Weltbevölkerung oder zumindest zu deren Lasten sich den Reichtum dieser Erde unter den Nagel gerissen haben über Jahrzehnte hinweg. Großherzige Reiche, wie Warren Buffett, gibt es, ja, aber es gibt halt auch die vielen, vielen anderen.
Wir sind schon viel zu spät dran
Langsam beginnt, unterstützt durch Aktivitäten der kritischen Jugend (FfF), aber genauso durch die auch in der Breite immer spürbarer werdenden Auswirkungen des Klimawandels die Erkenntnis, dass wir an sich schon viel zu spät dran sind, weil jahrzehntelang immer wieder verzögert, verharmlost und sogar verteufelt wurde, was unsere Erde, die Schöpfung und die Menschen auf diesem Planeten retten könnte. Bildlich gesprochen ist es 20 nach 12! Wir können immer noch was tun, müssen aber jetzt wirklich sofort damit anfangen. Zur Frage, wie das geht, muss vor allem auch die Wissenschaft eingebunden werden, denn das ist hochkomplex, zu komplex, als es nur Politiker*innen zu überlassen.
Das ist recht einfach
Dagegen ist die Frage, wie das Ganze sozialverträglich zu gestalten ist, wie sich auch Menschen in schwierigen Lebenslagen das leisten können, tendenziell recht einfach: Wir brauchen viel zivilgesellschaftliches Engagement, vor allem aber brauchen wir den Gesetzgeber, der sich hier endlich seiner Verantwortung stellen muss.
Hier muss der Staat, das Gemeinwesen einfach im Sinne des Schutzes der Schwächsten und Schwächeren – ja, das werden sicher viele nicht gern lesen, vor allem diejenigen, die immer noch glauben, dass die Märkte alles regeln können – eine entsprechende Umverteilung vornehmen. Hier muss endlich derjenige, der Reichtum besitzt, im Sinne des Grundgesetzes („… Eigentum verpflichtet …“, nachzulesen in Art. 14, Abs. 2 GG) einen deutlich stärkeren Teil der Lasten schultern, als das die vielen Schwächeren auch nur ansatzweise könnten. Es kann und darf nicht sein, dass Mieten dadurch teurer werden, dass klimanotwendige Maßnahmen durchgeführt werden.
Davon profitieren alle
Paradoxerweise ist es ja weltweit so, dass die große Menge an nicht so begüterten Menschen einen deutlich geringeren Anteil zur Erwärmung des Planeten beisteuert, als die wenigen, die über das meiste verfügen. Die Auswirkungen des Klimawandels spüren die einkommensschwächeren Schichten allerdings viel deutlicher als die Oberschichten. Die Schweiz hat deswegen z.B. eine CO²-Steuer erhoben, deren Einnahmen zum großen Teil über eine Pro-Kopf-Prämie an die Bürger zurückgegeben werden. Davon profitieren vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen, weil die eben weniger Energieverbrauch haben, weniger zu Treibhauseffekt und CO²-Emissionen beitragen. Und es profitieren mehrköpfige Familien.
Das wäre anmaßend
Details zum überfälligen Auftrag an uns alle, zu handeln, lese man in der Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus nach, der hier schlicht Gerechtigkeit fordert. Natürlich ist notwendig, jede einzelne Klimaschutz-Maßnahme zu prüfen, wie sie sich auf die einkommensschwächeren Menschen auswirkt und hier als Gesetzgeber kompensatorisch einzugreifen. Der Präsident des Deutschen Cartitasverbandes, Prälat Dr. Neher, hat vorletztes Jahr Mitglieder von Caritas Fidschi und Tonga getroffen. Deren Lebensgrundlagen brechen jetzt schon weg. Vielleicht sind sie bald ökologische Flüchtlinge. Aber sollen wir, so Neher, jetzt den Entwicklungs- und Schwellenländern sagen: "Nehmt euch zurück, ihr könnt nicht den gleichen Lebensstandard haben wie wir, sonst gefährdet ihr den gemeinsamen Planeten?" Das wäre anmaßend und gleichzeitig wissen wir, hätten sie den gleichen Standard wie wir, dann ginge es jetzt schon nicht mehr.
Es geht uns alle an!
Das heißt aber im Umkehrschluss: Auch wir müssen deutliche Maßnahmen ergreifen, was unsere eigene Art zu leben angeht. Nicht nur die Politik ist gefragt, nein, es geht uns alle an. Ich will damit nicht sagen, dass die Entwicklungsländer keine Konsumsteigerungen mehr haben dürfen, im Gegenteil, die sind jetzt dran, endlich aufholen zu dürfen! Durch die Pandemie merken hoffentlich immer mehr Menschen, dass Konsum nicht alles ist. Jetzt ist spätestens der Zeitpunkt, die Gier der Gierigen zu bekämpfen, in die Schranken zu weisen, sie als das zu brandmarken, was sie ist: eine der großen Geißeln der letzten zwei Jahrhunderte und eine der großen Sünden. Gerade in und nach der Pandemie ist das Nachdenken über ein anderes Leben angebracht, über gegenseitige Unterstützung und Menschlichkeit; über Gastfreundschaft und Solidarität. Jetzt ist die Zeit, analog zur pandemischen Achtsamkeit z.B. der Jüngeren gegenüber den Älteren bzgl. der Ansteckungsgefahr, dass hier nun die Älteren sich die Folgen des Klimawandels für die Jüngeren und die noch nicht Geborenen vor Augen führen.
Retten, was zu retten ist
Wenn die heute Älteren im Jahr 2050 oder 2100 nicht mehr leben, dann werden die Enkel, die viele Großeltern jetzt lange vermisst haben, vielleicht noch leben und müssen dann mit der von einigen von uns bisher so geschundenen Erde zurechtkommen. Ich würde mir wünschen und bete darum, dass aus dieser Erkenntnis eine neue politische und gesellschaftliche Agenda wird, um endlich diese Erde zu retten bzw. das, was noch zu retten ist. Und ich wiederhole es: Das dann sozialverträglich zu gestalten, ist einfach bis simpel, dazu braucht's nicht mehr als bisserl politische Klugheit, vor allem aber den unbändigen Willen dazu. Auf geht's!
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH