Tataren zu Besuch in Germering
Austauschprogramm mit Besuch bei den Landwirten
Die Tataren kommen! Vor ein paar hundert Jahren war dies ein Schreckensruf, denn die wilden Horden bedrohten das Abendland. Streng genommen hatte es sich damals allerdings um Mongolen gehandelt.
Wenn es heute in Germering heißt, "die Tataren kommen!", dann ist das ein Freudenruf, den vor allem Viktoria Prosvetova ausstößt. Die 39-Jährige ist Berufscoach für russischsprachige Menschen, Mitglied des VRJD JunOSt-Landesverband Bayern, dem Verband der russischsprachigen Jugend. Seit ein paar Jahren kümmert sich die in Litauen aufgewachsene Tochter von russlanddeutschen Eltern für den Verband um einen Austausch zwischen jungen Landwirten und in der Landwirtschaft Beschäftigten aus Tatarstan und Bayern. Zwölf Teilnehmer aus Tatarstan hatten heuer den Leistungswettbewerb verschiedener Berufe in der Landwirtschaft gewonnen. Er wurde vom Landwirtschaftlichen Jugendverband der Republik Tatarstan gemeinsam mit dem dortigen Landwirtschafts- und Jugendministerium durchgeführt.
Als Preis winkten neben Geld und Fördermöglichkeiten die zweiwöchige Bildungsreise nach Deutschland. "Für manche war es das erste Mal, dass sie ins Ausland geflogen sind", erklärte Prosvetova.
Einen Tag lang hatte Prosvetova Tierärzten, dem Maschinenmelker, Agronomen, Ökonomen, Maschinisten, Maschinenbauingenieur und den Landwirten ihre Heimatstadt vorgestellt. Dabei hat die Gruppe verschiedene Landwirtschaftsbetriebe wie den Stanishof, den Stürzerhof und den Hofladen „beim Joche“ besucht.
Eier- und Milchautomat
Beeindruckt waren die Gäste, dass Bioprodukte in Germering, wie Bioeier zu 45 Cent das Stück, so hohe Verkaufspreise erzielen. Wie die deutschen Bauern ihre großen Landmaschinen und ihre neuen Ställe finanzierten wollten sie ebenso wissen, sowie wo das Futter für die Tiere wächst, welche Fütterungsmethoden bei Kälbern angewandt werden und wie er Absatz der Milch läuft. Die Gäste begutachteten Kartoffelarten, probierten die frisch gezapfte Milch aus dem Automaten und den selbstgemachten Käse im Hofladen.
Der Eierautomat und der Milchautomat gefiel den Bauern besonders gut. "So etwas könnten sie sich auch für ihre Heimat vorstellen", sagte Prosvetova. Nach den Führungen gab es Mittagessen mit "typisch deutschen Gerichten wie Blaukraut, Currywurst, Schnitzel und Käsespätzle“, berichtete Prosvetova. Nachmittags hat sie die Gäste bei sich zuhause mit Glühwein, Kaffee und Tee bewirtet, „damit sie sehen wie eine typische Familie lebt“, erklärte sie.
In den beiden Wochen in Deutschland besuchten die Gäste neben Germering auch den Bayerischen Bauernverband, trafen sich mit Martin Schüßler vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium. Sie bekamen eine Führung in einer Biogasanlage, besuchten einen Holzbetrieb, einen Naturland-Betrieb bei Pegnitz, waren bei der Mehlproduktion in einer Mühle dabei, sahen die Herrmannsdorfer Landwerkstätten in Glonn, tauschten sich mit Landwirten in Wolfratshausen aus und genossen die Angebote des Kuhstallcafés in Illkofen und des Ziegenhof-Cafés in der Oberpfalz.
Gegenbesuch in Kasan
Zweimal hat Prosvetova bei den Gegenbesuchen deutsche Landwirte bereits nach Tatarstan begleitet. Die autonome Republik liegt im östlichen Teil des europäischen Russlands, westlich des Uralgebiets am Zusammenfluss der Wolga und der Kama.
Die Landwirte besuchten in Tatarstan beispielsweise eine Bäuerin, die selbst Mozzarella produziert. „Die Anleitung hat sie aus einem Youtube-Tutorial“ lachte Prosvetova. Die Deutschen waren außerdem zu ehemaligen Teilnehmern eingeladen, die sich nun mit Führungen in ihren Betrieben revanchierten. „Es sind richtige Freundschaften und ein Netzwerk über die Grenze hinweg entstanden“, erklärte Prosvetova. Übrigens: Deutsche Landwirte können sich schon für das nächste Austauschprogramm nach Tatarstan bewerben. Unter viktorija.prosvetova@gmail.com gibt es Infos.
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