Großmut für Natur und Mensch
Bei Sepp Dürr darf der Hase noch mitessen

Zuhause auf dem Feld. Sepp Dürr wollte eigentlich niemals Landwirt werden. Jetzt ist er Bio-Bauern. (Bild: Huss-Weber)
"Eigentlich wollte ich nie Landwirt werden", blickt Sepp Dürr aus Germering auf seine bisherige Lebensplanung zurück. Der heute 64-Jährige wollte als junger Bursche raus: Raus aus Germering, raus aus der Eintönigkeit und vor allem raus aus der Landwirtschaft. Damals war er nämlich noch mehr oder minder gezwungen, im elterlichen Betrieb Kartoffeln zu legen und Kühe zu melken. Doch der Germeringer wollte alles, nur nicht in Gummistiefeln und Blaumann auf dem Acker stehen.
Jetzt, über 30 Jahre später, sieht das Ganze schon anders aus: Heute trägt der Grünen-Politiker leidenschaftlich gerne Blaumann und Gummistiefel. Sein Herzensort, an dem er die Seele baumeln lassen kann, abschaltet und wieder geerdet wird, sind seine über sieben Hektar Ackerland, die er bewirtschaftet.
Alles bio, alles Dürr
Bis Sepp Dürr ein Bio-Bauer wurde, war es ein langer Weg: Zunächst einmal zog es ihn an die Uni. Dort studierte er Deutsche und Italienische Literatur sowie Philosophie. "Aber damals habe ich schon gemerkt, dass eine akademische Laufbahn für mich doch nicht so das Wahre ist", schmunzelt er. Als dann auch noch feststand, dass der elterliche Betrieb mit seiner Milchviehhaltung nicht mehr rentabel sei, gab es den großen, Bio-Knall - seine Schwester und er stellten um, auf biologische Landwirtschaft. "Wir waren ja damals echte Exoten", sagt er. Seine Schwester machte eine landwirtschaftliche Ausbildung, Sepp Dürr eignete sich sein Wissen rund um Bio durch Fortbildungen, Fremdhofbesuche und Literatur an. "Heute ist das ja ganz anders, man bekommt Komplettpakete und kann quasi über Nacht Hühnerbauer werden", sagt er. Dieser Fortschritt heute, schnell an ordentliche Informationen zu kommen, sei eine gute Seite, der heutigen Zeit. "Allerdings haben die heutigen Junglandwirte nicht mehr so viel Zeit, wie wir es damals hatten und Fehler kann man sich fast nicht leisten", ist seine Meinung.
Das Fuhrwerk steht still
Schneller, höher, weiter - das würde sich auch in der heutigen Landwirtschaft bemerkbar machen. "Früher machten die Pferde vor dem Fuhrwerk schon selbst eine Pause, wenn ein Kollege entgegenkam, denn sie wussten: Jetzt wird geratscht. "Auch später, als die Pferde gegen moderne Geräte getauscht wurden, blieben die Landwirte stehen", erzählt er. Er selbst kenne diese Zeiten noch, an denen man mit Kollegen am Feldrand einen Plausch gehalten habe. "Heute geht alles so rasant, da muss schnell schnell an einem Tag alles erledigt werden und dann sieht man wieder wochenlang niemanden auf dem Feld", so sein Resümee.
Doch nicht nur die Zeit habe sich geändert - auch das Bewusstsein für die Umwelt rücke langsam aber sicher in ein anderes Licht. "Man muss dafür sorgen, dass sich die Nützlinge wieder wohl fühlen, dann braucht man auch keine Insektenschutzmittel", so das Credo von Dürr. Er freue sich, wenn ein wenig Unrkaut zwischen seinen Zwiebeln, den "Stuttgarter Riesen", wachse. Wichtig sei zum Beispiel bei einer Bio-Landwirtschaft, dass eine Kulturpflanze Vorsprung habe. "In der Landwirtschaft darf man keinen Perfektionswahn haben, man muss der Natur schon seinen Raum lassen", sagt er. Man könne nicht erwarten, dass Pflanzen in Reih und Glied ohne eine Abweichung wachsen würden und sich dazwischen noch dazu kein einziges Unrkaut einmal mogle. "Man soll ja nicht eine Pflanze an seiner Geradlinigkeit, sondern an ihren Früchten erkennen."
Der Verbraucher entscheidet
Auf Sepp Dürrs Feldern wird nicht gespritzt. Hier schafft er ein kleines Paradies, in dem "der Hase noch mitessen darf". Mit diesem Erfolgskonzept erntete er 2017 so zum Beispiel 18 Tonnen Kartoffeln. Seine Ausbeute bei Kraut und Karotten sei ähnlich gewesen. Vermarktet werden seine Produkte von einem Kollegen auf dem Wochenmarkt in Germering. Der Rest wandere zu einem örtlichen Unternehmen oder zum Bio-Ring. Doch obwohl Bio immer mehr angenommen werde, reiche das Sepp Dürr nicht. "Man muss mehr Ware aus der Region kaufen und auch die Politik müsste die Bio-Landwirtschaft mehr fördern", bemängelt Dürr die derzeitigen Zustände. Bio-Produkte würden übermäßig teuer in den Regalen wirken, da bei der konventionellen Landwirtschaft ein regelrechtes Preisdumping stattfinde. "Der Verbraucher muss aber auch im Hinterkopf haben, dass die konventionelle Landwirtschaft andere finanzielle Förderung erfährt, als die Bio-Landwirtschaft", so Dürr.
Heimat am Harken
"Ich freue mich, wenn ich Schmetterlinge, Hasen, Fasane oder Rebhühner sehe", schwärmt der Landwirt. Er würde sich freuen, noch mehr Natur in der vermeintlichen Natur zu sehen. "Ich musste erst in die Fremde schweifen, um zu merken, wie schön unsere Heimat und Natur ist", so der Grünen-Politiker. Als er nach seinem Austauschjahr in Italien zurückkam, nahm er die Harke in die Hand und war angekommen. "Das war ein Gefühl, als gehöre dieses Gerät einfach schon immer in meine Hand", sagt er. Aus der für ihn negativ behafteten Heimat wurde dann ganz schnell ein Herzensort. "Heimat ist ja auch immer das, was man draus macht", so Dürr. Wenn man sich zu wenig einbringe, könne kein Ort der Welt zur Heimat werden. Und so schafft er sich nun seit über 20 Jahren, sein Bio-Paradies in Germering. Ein bisschen "gschlampat" wie er es bezeichnet, damit auch Hase, Schmetterling und Bienen von seinen Erzeugnissen etwas haben.
Infobox
Sepp Dürr baut Zwiebeln, Zucchini, Kürbisse und Karotten an. Auf seinen Flächen sind Pestizide und Insektizide verboten. Sein natürlicher Schutz gegen Schädlinge ist die Fruchtfolge (zeitliche Abfolge zum Anbau von Fruchtpflanzen) sowie der Erhalt von Nützlingen. Seine Produkte gibt es auf dem Germeringer-Wochenmarkt oder auch beim Bio-Ring Fürstenfeldbruck. Unter www.sepp-duerr.de gibt es zu seiner Person weitere Informationen.
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