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Die frühere City Germerings

Archäologen finden Siedlungsreste auf dem Postareal

Marcus Guckenbiehl mit einem Webgewicht, das geborgen wurde. (Bild: pst)

Der Boden auf dem Gelände des Briefverteilzentrums im Germeringer Norden ist von Kratern und Löchern durchsetzt. Überall sind kleine Zettel mit Nummern in den Boden gesteckt. Bevor mit dem Bau begonnen werden kann, sind die Archäologen an der Reihe. Seit ein paar Monaten sind die 14 Experten und Helfer mit den Grabungen beschäftigt – und sie sind bereits fündig geworden. Unzählige runde Verfärbungen im Erdreich deuten darauf hin, dass das Briefverteilareal früher ein dicht bebautes Siedlungsgebiet war. Dabei handelt es sich um „Pfostengruben“ der damaligen Holzhäuser, aber auch um ehemalige Brunnen.

Im Laufe der Jahre ist das Holz verwittert und, nachdem der Humus abgetragen wurde, nur mehr als dunkle Verfärbung erkennbar im hellen Kies, der aus der letzten Eiszeit stammt. Es sei damit zu rechnen gewesen, dass bronzezeitliche, frühmittelalterliche, aber auch eisenzeitliche und römische Siedlungsspuren zu finden waren, erklärte Marcus Guckenbiehl. Der Stadtarchivar ist regelmäßig vor Ort. Dass das Areal aber so dicht besiedelt war, konnte er nicht wissen. "Vielleicht könnte sich in diesem Feld das Zentrum des frühmittelalterlichen Dorfes befunden haben?", überlegt er. Das verortet er an dem am dichtesten bebauten Bereich.

Die Lage war für die damaligen Bewohner ideal. Schließlich ist der Grundwasserpegel an diesem Standort sehr hoch. Für Brunnen musste nicht tief gegraben werden. Das Siedlungsgeschehen terminiert Guckenbiehl zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert n. Chr. Begraben wurden die Menschen damals außerhalb der Ortschaften. Das zeitlich dazu passende Reihengräberfeld wurde bereits vor Jahren in der Krippfeldstraße gefunden.

Perlen, Schlacken, Scherben

In einer Schachtel hat Guckenbiehl ein paar Tüten mit Grabungsfunden mitgebracht. Sie stammen vorwiegend aus den Grubenhäusern, kleinen Arbeitshütten. Er zeigt eine halbe bunte Glasperle, ein paar Scherben, ein Webgewicht von einem Webstuhl, Eisenschlacken, aber auch Graphitstäbe, die während des zweiten Weltkriegs in den Scheinwerfern der Flakstellung eingebaut waren. Zwei Bomben seien damals auf dem Feld explodiert, so Guckenbiehl. Die Sorge, dass Blindgänger noch im Erdreich schlummern, konnten die Experten des Kampfmittelräumdienstes ausräumen.

Insgesamt rechnet Birgit Anzenberger vom Archäologischen Büro Anzenberger & Leicht mit eineinhalb Jahren, in denen das Erdreich untersucht wird. Falls überraschende Funde gemacht werden, könnte sich das Ganze natürlich hinziehen. Ende des Jahres könne voraussichtlich mit dem Bau der Tiefgarage begonnen werden, erklärte Bauprojektleiter Thomas Stief. Die entsprechende Fläche sei vorrangig untersucht worden.

Seit 1997 bekannt

"Erste Grabungen in der Umgebung fanden 1995/96 und 1998 im Südwesten statt", erklärte Guckenbiehl. Damals konnten Reste einer urnenfelderzeitlichen Siedlung (ca. 1200 – 800 v. Chr.) dokumentiert werden. Aus Luftbildern des Landesamtes für Denkmalpflege ist seit 1997 bekannt, dass sich Siedlungsspuren in größerer Dichte in das Gebiet des Briefverteilzentrums ausdehnen. Weitere Erkenntnisse brachte 2013 der Bau des Paketverteilzentrums. Auf der Baufläche konnten über 1200 archäologische Befunde aus der Bronzezeit, der Eisenzeit und der Römischen Kaiserzeit sowie dem frühen Mittelalters festgestellt werden.

Die neuen Grabungsfunde gehen an die Stadt und sollen im Zeit+Raum-Museum ausgestellt werden. Sobald es die Pandemie zulässt, wird Guckenbiehl öffentlich über die neuen Erkenntnisse aus der aktuellen Grabung berichten.

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