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Rubrik: Gesamt · Ort: fuenfseenland
Trauer als Krankheit?
Anhaltende Trauerstörung und ihre Bedeutung
Im Rahmen der anstehenden Neufassung der international maßgeblichen Liste von Krankheiten und Gesundheitsproblemen ("ICD-11") wird die Aufnahme der "anhaltenden Trauerstörung" diskutiert. Fachleute sind sich uneins, ob besonders dauerhafte und intensive Trauer als Krankheit klassifiziert werden sollte.
Keine Krankheit
Wer nach dem Verlust eines Menschen längere Zeit von seiner Trauer besonders beeinträchtigt wird, braucht womöglich professionelle Hilfe. Eine solche "anhaltende Trauerstörung" galt dennoch bisher nicht als Krankheit. Mit der für Mai dieses Jahres geplanten Neuauflage der "ICD", der elften Fassung der "International Statistical Classification of Diseases" der Weltgesundheitsorganisation WHO, wird sich dies wahrscheinlich ändern. Es besteht jedoch weiterhin Diskussionsbedarf. Das zeigen auch die Ergebnisse einer aktuellen Online-Umfrage (veröffentlicht im Fachmagazin "Journal of Affective Disorders") unter 2.088 deutschsprachigen Fachkräften aus den Bereichen Psychotherapie, Psychologie, Beratung, Medizin und Palliativversorgung: 42 Prozent sind eher dafür, 33 Prozent eher dagegen und 25 Prozent sehen gleichermaßen Vor- und Nachteile.
Vieles noch offen
Eine Kurzfassung der Ergebnisse findet sich neben weiteren Themen aus der internationalen Trauerforschung im aktuellen Newsletter des Projekts "Trauerforschung im Fokus". Eine der beiden Herausgeberinnen, die Wissenschaftlerin und Trauerberaterin Heidi Müller, warnt in diesem Zusammenhang davor, Trauernde zu stigmatisieren und natürliche Bewältigungsprozesse zu verdrängen. Auch weist sie darauf hin, dass viele Fragen zum Thema "Komplizierte Trauer" offen seien und es noch weiterer Forschung bedürfe, um eine qualifizierte Diagnose in das "ICD-11" aufzunehmen. Darüber hinaus fehle es an speziell für die Behandlung der "anhaltenden Trauerstörung" ausgebildeten Personen. Zu begrüßen sei nach Müllers Ansicht jedoch, dass viele Betroffene durch die entsprechende Diagnose überhaupt erst die Möglichkeit erhielten, gezielt behandelt zu werden. Auch könne die Aufnahme in die "ICD-11" neue Impulse setzen und zu einem engeren Austausch zwischen Praxis und Trauerforschung führen.
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