Nierentisch und Minivase
Tischkultur der 50er in der Gemeindegalerie
Es ist die erste Sonderausstellung in der Weßlinger Gemeindegalerie seit der Eröffnung vor einem Jahr. Kurator Erich Rüba stellt in den Räumen in der Hauptstraße 57 Sammlerstücke von Olaf Nie aus. „Tischkultur der 50er Jahre“ läuft noch bis Ende März.
Vor rund 25 Jahren hat der Weßlinger Olaf Nie sein Herz an die 50er Jahre verloren. Die Besucher können sich jetzt zwischen Nierentischen, Urlaubssouvenirs aus dem Beginn der Reisewelle nach Italien, Teeservices und unzähligen kleinen Vasen im typischen Design der Nachkriegszeit auf eine Reise in die Wirtschaftswunderzeit begeben.
Vor allem die kleinen Vasen nehmen einen großen Raum in der Ausstellung ein. Das Geld sei damals knapp gewesen, die Wohnungen klein und auch für üppige Blumensträuße habe das Geld gefehlt, berichtete Nie. Die kunsthandwerklichen Miniaturen, die auch die Bandbreite der damaligen Keramiker aufzeigen sollten, konnten sich die Bürger aber leisten. Es gibt in der Ausstellung so einige Unikate, die aus heutiger Sicht äußerst skurril wirken wie die Figuren der afroamerikanischen nackten Schönheiten. „Man muss die Exponate immer aus der Perspektive der jeweiligen Zeit betrachten“, erklärt Nie.
Flächen waren asymmetrisch
Für Nie, der anhand seiner Sammelstücke auch mehr über das Leben seiner Eltern erfahren wollte, sind die 50-er Jahre eine faszinierende Zeit. „Es herrschte ein völlig neues Lebensgefühl. „Modern“ war das Wort der Zeit (…) Optimismus war ein bestimmendes Lebensgefühl“, beschreibt er in seinem Begleittext. Das spiegelte sich in der Formensprache der Konsumgüter wieder. „Fragil und zart musste jedes Teil anmuten. Möbel standen plötzlich auf schiefen Stöckelschuhen, Stühle und Tische hatten dünne Beinchen, Flächen waren asymmetrisch“.
Einen ganzen Schrank voller Accessoires für eine gelungene 50er-Jahr-Party finden sich im hinteren Zimmer der Gemeindegalerie. Ohne Erläuterungen würde der heutige Betrachter gar nicht wissen, um was es sich handelt. Die merkwürdig verbogenen Gestänge hatten folgenden Zweck: In den integrierten Glasbecher, konnten Salzstangen gesteckt werden und auf abgespreizte dünne Stangen die dazu passenden Salzbrezeln aufgefädelt werden.
Anhand der Größe der Trinkgefäße macht Nie aber auch etwas anderes fest: Damalige Gläser oder Tassen hätten oft kaum mehr als 0,1 Liter gefasst, „eine kleine Sinalco-Flasche hat den ganzen Nachmittag gereicht“. Diese Wertschätzung sei längst Vergangenheit. Ende der 50-er Jahre seien diese typischen Formen und Muster „spurlos verschwunden“. Die Leute hätten wieder mehr Geld verdient, berichtete Nie. Die fragilen Formen hätten nicht mehr gepasst. Die „gestalterischen Eigentümlichkeiten“ wurden durch neue Merkmale verdrängt und ersetzt. „So ist auch der Nierentisch ohne Nachfolger ausgestorben“, bedauert Nie. Die Designphilospophie sei ungültig geworden. „Die Stimmung war umgeschlagen; die 60er hatten begonnen“.
Die Ausstellung ist noch bis Ende März zu besichtigen. Öffnungszeiten sind freitags und sonntags von 14 bis 17 Uhr.
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