"Nicht jeder kann oder soll ein Professor werden"
Das "Haus der kleinen Forscher" will Kindern Lust auf naturwissenschaftliches Forschen machen
Die gemeinnützige Stiftung "Haus der kleinen Forscher" engagiert sich seit zehn Jahren für eine bessere Bildung von Mädchen und Jungen im Kita- und Grundschulalter in den Bereichen Naturwissenschaften, Mathematik und Technik. Elisabeth Braun koordiniert für sie das Netzwerk "Kleine Forscher München" und beantwortete die Fragen von Anna-Maria Niagu von den Münchner Wochenanzeigern.
"Teures Gerät ist nicht gefragt"
Das Haus der kleinen Forscher will den Entdeckergeist von Mädchen und Jungen fördern. Mit welchen Alltagsgegenständen experimentieren Kinder am liebsten?
Elisabeth Braun: Spontan würde ich sagen: mit allem. Grundsätzlich haben die Themen „Wasser“ und „Luft“ einen großen Raum und da kann man sich leicht vorstellen, dass hier jede Art von Gefäßen, Trinkhalme, Luftballons, Lebensmittelfarbe und derlei mehr zum Einsatz kommen. Die Kinder gehen ja in ihrer direkten Lebensumwelt auf Entdeckungsreise. Teures Gerät wie Mikroskope o.ä. sind da gar nicht gefragt.
"Forschen macht Spaß"
In wie vielen – und in welchen – Einrichtungen in München und Umgebung haben sie bereits Projekte organisiert?
Elisabeth Braun: In München und Umgebung haben im Laufe der Jahre Fachkräfte aus fast 650 Kitas unsere Fortbildungen besucht und daraufhin in ihren Einrichtungen unzählige eigene Projekte entwickelt. Viele davon, haben mit diesen Projekten auch an unserem Forschergeist Wettbewerb teilgenommen.
Unsere Teilnehmer kommen aus allen Gebieten Münchens unabhängig von demographischen Gegebenheiten. Wir wollen ja auch den Erwachsenen zeigen, wieviel Spaß das naturwissenschaftliche Forschen macht und dass man dazu kein Chemiker oder Biologe sein muss. Oft haben die Teilnehmer große Bedenken: „Oh Gott, Chemie hab ich schon immer gehasst“. Aber dann sagte eine Teilnehmerin: „Schade, jetzt ist morgen Feiertag!“ Sie wollte sofort mit den Kindern anfangen zu forschen.
"Kinder prüfen Ideen als Experten"
Wie werden Sie zu neuen Projekten für die Kinder inspiriert?
Elisabeth Braun: Für die Entwicklung unserer Formate und neuer Ideen gibt es ein eigenes Team bei der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ in Berlin. Wie in anderen Bereichen auch entstehen kreative Ideen im Austausch mit den unterschiedlichsten Zielgruppen, insbesondere mit unseren Trainerinnen und Trainern. Dabei orientieren wir uns aber auch immer an den Bildungsplänen der Länder. Unsere Angebote bilden eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis.
Aber wo auch immer die Ideen herkommen – jede von Ihnen wird von unseren Experten auf Herz und Nieren auf die Tauglichkeit geprüft – nämlich von den Kindern! Wir arbeiten mit sogenannten „Pilotkitas“ zusammen und bevor ein neues Format in die Fläche geht, wird es von diesen Kitas in der Praxis erprobt und dann ggf. modifiziert bis alles passt.
"Kinder haben eine angeborene Neugier"
Viele Kinder verbringen viel Zeit vor dem Bildschirm – ist es heute schwieriger als früher, die Neugier der Kinder mit praktischen Experimenten zu wecken?
Elisabeth Braun: Das glaube ich nicht. Die Drei- bis Sechsjährigen haben nach wie vor diese angeborene, kindliche Neugierde. Die Frage ist vielmehr, wieviel Gelegenheit hat ein Kind heute, neue Dinge zu beobachten und naturwissenschaftliche Phänomene zu erleben. Und genau da setzt der Gedanke der Stiftung an: So wie es überall in Deutschland „Bolzplätze“ gibt, auf denen die Kinder von klein auf das Kicken üben, so wollen wir allen eine Lernumgebung schaffen, die die alltägliche Begegnung mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen ermöglicht.
"Die Fragen der Kinder aufgreifen"
Nicht jedes Experiment kann gelingen. Müssen Kindern nicht auch scheitern können dürfen?
Elisabeth Braun: Absolut! Wir sprechen in diesem Zusammenhang von ergebnisoffenem Forschen. Wichtig ist, dass Fragen der Kinder an die Natur aufgegriffen werden – im Gegensatz zu einem vorbereiteten Angebot. Die Erzieherin übernimmt dabei die Rolle der Bildungsbegleiterin, die die Interessen der Kinder erkennt und sie dabei unterstützt erste Vermutungen zu sammeln, diese auszuprobieren und später zu erörtern. Dabei muss man es als Erzieherin auch mal aushalten, dass die Kinder vielleicht eine völlig falsche Spur verfolgen. Aber früher oder später kommen sie immer dahinter und dann sind sie mächtig stolz! Und ganz nebenbei erwerben sie nach und nach ein Verständnis für das eigene lernen. Wissenschaftlich heißt das „Lernmethodische Kompetenz“ - lernen wie man lernt. Und das brauchen wir ja alle bis ins hohe Alter..
"Zunächst kein Unterschied erkennbar"
Lernen Mädchen anders als Jungen? Sind sie auf andere Weise kreativ? Oder spiegeln sich da nur Rollenbilder der Eltern wieder?
Elisabeth Braun: Wissenschaftliche Studien belegen, dass hier im Kindergartenalter noch kein Unterschied erkennbar ist. Erst in der Vorpubertät kristallisieren sich diese Unterschiede heraus und dann geht man in der Tat davon aus, dass da die bekannten Rollenbilder durchschlagen.
"Unsere Welt heute und morgen mitgestalten"
Ihre Bildungsinitiative will Bildungschancen fördern. Das ist wichtig, weil wir auch im MINT-Bereich Fachkräfte brauchen. Wie können Einrichtungen, die sich hier engagieren, an Ihren Projekten teilhaben?
Elisabeth Braun: Bundesweit haben pädagogische Fach- und Lehrkräfte die Möglichkeit, bei über 230 lokalen Partnern der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ Fortbildungen zu besuchen. In München und Umgebung haben wir gleich drei solcher Netzwerke. Welches Netzwerk für die eigene Kita zuständig ist, kann man online abrufen unter www.haus-der-kleinen-forscher.de oder gerne bei mir persönlich erfragen.
Ich würde zum Schluss auch ganz gerne nochmal beim Schlagwort „Fachkräftemangel“ einhaken. Es geht uns gar nicht nur darum, diesem entgegenzuwirken. Nicht jeder kann oder soll ein Professor der Astrophysik oder Mikrobiologie werden. Gesellschaftlich wichtig ist aber, dass wir „MINTmündige“ Bürger haben, die bei wichtigen Themen wie z.B. Umwelt, Gesundheit oder Klima aktiv und kompetent unsere Welt heute und morgen mitgestallten können.
Stiftung und Netzwerk
Mit einem bundesweiten Fortbildungsprogramm unterstützt das „Haus der kleinen Forscher“ pädagogische Fach- und Lehrkräfte dabei, den Entdeckergeist von Kindern zu fördern und sie qualifiziert beim Forschen zu begleiten. Die Bildungsinitiative leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung von Bildungschancen, zur Nachwuchsförderung im MINT-Bereich und zur Professionalisierung des pädagogischen Personals. Partner der Stiftung sind die Helmholtz-Gemeinschaft, die Siemens Stiftung, die Dietmar Hopp Stiftung und die Deutsche Telekom Stiftung. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Das Netzwerk „Kleine Forscher München“ wird von der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ getragen. Partner des Netzwerks in München ist das Staatsinstitut für Frühpädagogik.
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