Keineswegs makaber: der Leichenschmaus
Hier wird fast schon „Integrationsarbeit“ betrieben
„Leichenschmaus“ - ein eher despektierlicher Begriff für eine doch recht respektierliche Sache mit einer langen Tradition. „Leichenschmaus“, lateinisch „epulum funebre“, also „trauriges Gastmahl“ ist die vermutlich geläufigste.
Bekannt ist die Tradition im Norden auch als „Beerdigungskaffee“, „Leidessen“, „Traueressen“, „Leidmahl“, „Leichenmahl“, „Trauerbrot“, „Tränenbrot“ und noch seltener „Flannerts“, „Raue“ oder „Tröster“. In Süddeutschland spricht man auch von „Leichentrunk“, in Altbayern von „Kremess“, im Sauerland vom „Rüezech“, im Rheinischen von „Reuessen“ und im saarländich / pfälzischen Raum von „Leichenimbiss“. Im Nachbarland Österreich kennt man auch die Begriffe „Zehrung“ und „Totenmahl“, in der Schweiz ist von „Grebt“ oder „Gräbt“ die Rede.
Eine weltweite Sitte
Wie auch immer man den „Leichenschmaus“ nennen mag, jedes Mal handelt es sich dabei um das gemeinschaftliche Speisen der Trauergäste im Anschluss an eine Beerdigung, das von der Familie des Verstorbenen ausgerichtet wird. Diese weltweit vorkommende Sitte war bereits in vorgeschichtlicher Zeit bekannt und ist das im interkulturellen Vergleich am weitesten verbreitete Ritual bei Begräbnissen.
Bedeutung
Sinn und Zweck des Leichenschmauses ist es in Teilen des deutschsprachigen Raumes, den Hinterbliebenen zu signalisieren, dass das Leben weitergeht und der Tod nur eine Station des irdischen Lebens darstellt. Das gemeinsame Essen soll im Gedenken an den Toten stattfinden und einen zwanglosen Rahmen bieten, in dem Geschichten rund um den Toten erzählt werden können, in Ergänzung zur kirchlichen Bestattung. Das Erzählen von Geschichten und Anekdoten, die durchaus auch heiter bis wirklich witzig sein können, dient zur Auffrischung der positiven Erinnerungen an den Verstorbenen. Die dabei oft entstehende Heiterkeit kann helfen, Emotionen abzubauen und mit der Trauerarbeit zu beginnen; der Leichenschmaus kann daher helfen, Abstand vom traurigen Anlass zu gewinnen und wieder eine gewisse Normalität zu erreichen. Es wird demonstriert, dass die Hinterbliebenen nicht allein gelassen werden, sondern dass sie auch weiterhin ein Teil der sozialen Gemeinschaft sind. Man kann hier also durchaus auch von „Integrationsarbeit“ sprechen.
In früheren Zeiten war es auch gängige Sitte, beim Leichenschmaus mit Gewürzen bestreute, sogenannte „Gebildbrote“, also Brot oder Gebäck in figürlicher Form, zu essen, um solchermaßen eventuell vorhandene böse Geister abzuwehren.
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