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Hippies und Mönche

Klosterausstellung beleuchtet "WGs" von Weltverbesserern

Augustinerchorherr Bonifaz Urban war der Hauslehrer von Sissis Schwiegermutter. Sie berichtete ihm alles über die Verlobung in Ischgl. (Bild: Hauck)

Was haben die Krautrocker Amon Düül und die Mönche des Mittelalters gemeinsam? Gar nichts, möchte man spontan meinen. Aber was sie eint, ist die Grundidee: sie wollten zusammenleben, diskutieren und die Gesellschaft verändern. Zeitlich waren sie um Jahrhunderte getrennt, aber geographisch nur ein paar Kilometer.

Amon Düül

Die Hippies erlangten Ende Sechzigerjahre als Musiker Kultstatus. Ein Teil der Schwabinger Musikkommune mietete sich 1968 in die Ströhmel-Villa in Happerg ein, einem kleinen Weiler bei Beuerberg (Gemeinde Eurasburg). Die Augustinerchorherren experimentierten vielleicht nicht mit Drogen und Sounds, aber sie waren ebenfalls auf der Suche nach einer besseren Welt und übten sich im neu gegründeten Kloster Beuerberg im Zusammenleben. Und sie überdauerten natürlich viele Jahrhunderte lang (in Österreich bis heute), anstatt nur ein paar Jahre wie die WG der Krautrocker. Zum 900-jährigen Jubiläum hat das DiözesanmuseumMünchen-Freising die tolle Ausstellung „Kommune 1121 – Visionen eines besseren Lebens“ eröffnet. Gerade jetzt, wo unsere neuen Zeiten Abstand anstatt Nähe fordern, sind die Fragen nach einem Leben in Gemeinschaft und deren Grenzen besonders spannend.

Kein Bettelorden

Die Augustinerchorherren lebten nach den Ordensregeln von Bischof und Priester Augustinus, der im Frühchristentum in Nordafrika eine Gruppe von Freunden und weiteren Priestern um sich geschart hatte. Sie waren keine Bettelmönche, sondern geweihte Priester. Sie mussten nicht schwer körperlich arbeiten oder besondere Askese üben, sondern waren seelsorgerisch tätig. Im Kloster hatten sie Dienerschaft. Der Koch war einer der wichtigsten Klosterangestellten, und Grundgetränk bei den Mahlzeiten war das Bier. Den Tag, der um 4 Uhr morgens begann, verbrachten sie mit Beten, den Messen, geistlicher Erbauung, Lektüre und Studium, Gewissenserforschung und „Rekreation“ bei gemeinsamen Gesprächen oder Spielen, wie ein Tagesablauf aus dem 18. Jahrhundert verrät. Um 20 Uhr hieß es Nachtruhe.

Verbindung zu Sissi

In einem Gang des Klosters flimmert der berühmte Sissi-Film mit Romy Schneider in einer alten Fernsehtruhe der Fünfzigerjahre. Das Biedermeierwohnzimmer dahinter gehörte Bonifaz Urban. Er war einer der letzten Chorherren von Beuerberg. Nach der Säkularisation 1803 musste er das Stift verlassen. Sein Leben schlug eine ganz andere Wende ein, als er nämlich Hauslehrer der bayerischen Prinzessinnen wurde. Seine Schülerin Sophie, die spätere Schwiegermutter von Sissi, hielt Zeit ihres Lebens brieflich mit ihm Kontakt und berichtete Urban, der es bis zum Erzbischof gebracht hatte, auch in allen Einzelheiten aus Ischgl von der Verlobung ihres Sohnes Kaiser Franz mit seiner jungen Cousine Elisabeth. Besonders Highlight sind diese unbekannten und bisher unveröffentlichten Briefe. Die Schau macht großen Spaß, sie ist mit leichter Hand aufbereitet und gar nicht so schrecklich gelehrt, und besonders interessant ist es natürlich, sich in dem verlassenen Kloster umzusehen, das bis vor ein paar Jahren vom Orden der Salesianerinnen bewohnt war und nun jedes Jahr mit einer anderen Ausstellung bespielt wird. „Kommune 1121“ ist bis 3 Oktober geöffnet, mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.

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